Gemeinderat? Nein, danke! Jede zweite Gemeinde hat Mühe, Kandidaten für Exekutivwahlen zu finden. Besonders Junge haben kaum mehr Lust, sich für ein politisches Amt auf lokaler Ebene zu engagieren. Das Milizsystem steckt in der Krise.
Um auf das Problem, aber vor allem auch auf mögliche Lösungsansätze aufmerksam zu machen, hat der Schweizerische Gemeindeverband das Jahr 2019 zum «Jahr der Milizarbeit» erklärt. In dieses startet er mit einem Schwall von Ideen, wie das Milizsystem in die Zukunft geführt werden kann.
EO für Gemeinderäte?
Über ein Dutzend Vorschläge sind durch einen Ideenwettbewerb zusammengekommen, den der Verband gemeinsam mit verschiedenen Partnern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft lanciert hat. Darunter auch Vorschläge mit Sprengkraft:
- Erwerbsersatz für Gemeinderäte: Wie Soldaten, Zivis oder frischgebackene Mütter sollen auch Milizpolitiker beziehungsweise deren Arbeitgeber Anrecht auf EO-Entschädigung haben. Das heisst: Ein Gemeinderat könnte beispielsweise vier Tage arbeiten und einen Tag pro Woche für die Behördenarbeit einsetzen. Der Arbeitgeber würde für diesen Tag, den der Gemeinderat im Unternehmen fehlt, vom Staat entschädigt.
- Anrechenbarkeit an Wehrpflicht oder Zivildienst: Um die Akzeptanz in der Gesellschaft für Milizämter zu erhöhen, sollen die für ein Milizamt geleisteten Stunden von der Wehrpflicht abgezogen werden können. Bei Zivis dasselbe: Neu soll auch Behördentätigkeit als Einsatzmöglichkeit für den Zivildienst gelten.
- Steuerabzug für Gemeinderatslohn: Als Milizpolitiker erhält man in der Regel – wenn auch meist ziemlich bescheidene – Entschädigungen. Es gibt einige Kantone, in denen diese teilweise von den Steuern abgezogen werden können. Der Vorschlag sieht einen vollständigen Steuerabzug vor.
Diese und viele weitere Ideen stammen von Jungparteien und anderen Organisationen – von welchen genau, will der Gemeindeverband nicht verraten. Ende Monat kann das Publikum die besten Ideen an einer öffentlichen Veranstaltung in Zürich prämieren. Erst dann soll auch bekannt werden, wer hinter den Vorschlägen steckt. Den drei Siegern winken Prämien im Wert von insgesamt 5000 Franken. Zudem verspricht der Gemeindeverband, die Gewinner-Ideen intern weiterzutragen und zu diskutieren.
Gemeindeverband will sich noch nicht positionieren
Zu Diskussionen dürften die Vorschläge mit Sicherheit führen – besonders, wenn einer der oben genannten Vorschläge das Rennen macht. Mit dem Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (62) steht an der Spitze des Gemeindeverbands nämlich ausgerechnet ein Vertreter der SVP – jener Partei, die mit Händen und Füssen gegen die kleinste Aufweichung der Wehrpflicht und gegen eine Ausweitung des Zivildienstes kämpft.
Germann selbst will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu den Vorschlägen äussern. «Der Schweizerische Gemeindeverband wird Mitte Jahr seine eigene Positionierung zu möglichen Reformen für das Milizsystem bekannt geben», sagt er. Im Moment wolle man vor allem eins: «eine breite Debatte anstossen».
Zusätzlich zu den Vorschlägen aus dem Ideenwettbewerb hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Verbänden über 80 weitere Massnahmen zusammengetragen, um das Milizsystem wieder auf einen grünen Zweig zu bringen. Auf einer interaktiven Online-Plattform gesammelt, sollen sie Lokalpolitikern, Parteien und Gemeinden bei der Nachwuchssuche helfen. Die Vorschläge reichen von ziemlich banal klingenden Tipps wie dem Ankündigen von Gemeindeversammlungen per SMS oder dem öffentlichen Ausschreiben von Vakanzen bis hin zu radikaleren Massnahmen wie dem Aufheben der Wohnsitzpflicht oder einem Wahlrecht für Zweitwohnungsbesitzer. Der Massnahmenkatalog basiert auf einer Studie der HTW Chur, über die BLICK bereits berichtet hat.
Zusätzlich zu den Vorschlägen aus dem Ideenwettbewerb hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Verbänden über 80 weitere Massnahmen zusammengetragen, um das Milizsystem wieder auf einen grünen Zweig zu bringen. Auf einer interaktiven Online-Plattform gesammelt, sollen sie Lokalpolitikern, Parteien und Gemeinden bei der Nachwuchssuche helfen. Die Vorschläge reichen von ziemlich banal klingenden Tipps wie dem Ankündigen von Gemeindeversammlungen per SMS oder dem öffentlichen Ausschreiben von Vakanzen bis hin zu radikaleren Massnahmen wie dem Aufheben der Wohnsitzpflicht oder einem Wahlrecht für Zweitwohnungsbesitzer. Der Massnahmenkatalog basiert auf einer Studie der HTW Chur, über die BLICK bereits berichtet hat.