Hoteldirektor über die Stellenmeldepflicht
«So bringt das gar nichts»

Dank der Meldepflicht sollen Arbeitslose bessere Chancen auf einen Job erhalten. Doch manche Kantone setzen die Vorgaben des Bundes praktisch nicht um.
Publiziert: 17.10.2021 um 15:59 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2021 um 15:00 Uhr
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Hotel- und Gastrobetreiber äussern sich skeptisch: «So wie es jetzt ist, bringt die Stellenmeldepflicht gar nichts», sagt Hoteldirektor Christian Hasler.
Foto: Siggi Bucher
Camilla Alabor

Es tönte so gut: «Effiziente Umsetzung der Stellenmeldepflicht», verkündete das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Juni 2021 in einem Communiqué. Die Meldepflicht für freie Stellen, durch die Arbeitslose einfacher einen Job finden sollten, werde «effizient und rechtskonform» umgesetzt. Das bestätige ein neuer Bericht.

Es war aber nur die halbe Wahrheit. Eine der Studien, die dem Bericht zugrunde liegen, zeigt: Viele Kantone setzten die Meldepflicht, die seit 2018 gilt, ungenügend um.

Fünf Tage exklusiven Zugang zu Stelleninseraten

Ziel der damals neuen Vorschrift war es, die Zuwanderung zu reduzieren. Unternehmen in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit müssen ihre freien Stellen seitdem bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden. Während fünf Tagen haben Arbeitslose exklusiv Zugang zu den Stelleninseraten: Entweder melden sie sich selbst bei der Firma, oder das RAV schickt den Arbeitgebern Dossiers mit potenziellen Kandidaten.

Der jüngste Bericht «Monitoringevaluation der Stellenmeldepflicht» indessen legt grosse Unterschiede zwischen den Kantonen offen. So klappt die Vermittlung von Arbeitslosen in Basel-Stadt, Luzern, Graubünden, Glarus oder Uri nicht einmal in einem von 50 Fällen (siehe Grafik). In Solothurn, Freiburg, der Waadt oder dem Tessin hingegen kommt es immerhin bei rund jeder zehnten gemeldeten Stelle zu einer Anstellung.

Grosse Unterschiede je nach Kanton

Doch nicht nur beim Vermittlungserfolg sind die Unterschiede gross, sondern auch bei der Anzahl der Vorschläge, welche die RAV den Unternehmen machen. In der Tendenz zeigt sich: Je mehr Vorschläge das RAV übermittelt, desto höher sind die Chancen für eine Anstellung. Dennoch verschickt etwa Appenzell Innerrhoden nur in drei Prozent aller Fälle Dossiers von Arbeitsuchenden an eine Firma.

Angesichts der tiefen Vermittlungsquote mancher Kantone drängt sich die Frage auf: Machen sie ihren Job nicht richtig? Und: Ist das der Grund dafür, dass die Meldepflicht bisher weder die Arbeitslosigkeit noch die Zuwanderung senken konnte?

Nachfrage beim Kanton Luzern. Dort hält das Amt für Wirtschaft, Arbeit und Soziales fest, die Studie schildere die Situation in den Jahren 2018/19. Damals startete der Luzerner Arbeitsmarktservice mit einem kleinen Team. Das sei schwierig gewesen, räumt ein Sprecher ein. Nach sechs Monaten jedoch habe man eine Reorganisation eingeleitet.

Qualität vor Quantität?

Auch andere Kantone wie Basel-Stadt erklären die tiefe Vermittlungsquote mit dem Fokus der Studie auf die ersten zwei Jahre. Ein Sprecher des Basler Amts für Wirtschaft und Arbeit ist zudem der Meinung, man habe dabei die Eigenheiten des Kantons – viele hoch qualifizierte Jobs, wenige manuelle Berufe – zu wenig berücksichtigt.

Uri wiederum antwortet, man schicke den Firmen das Dossier einer Arbeitslosen nur dann, «wenn die Person passt und eine Anstellung realistisch ist». Also «Qualität vor Quantität».

Jeder Kanton scheint also Gründe nennen zu können, weshalb er bei der Umsetzung der Stellenmeldepflicht schlecht abschneidet. Nicht alle sind gleich überzeugend. Denn der Bericht zeigt auch: Kantone, die mehr Vorschläge machen, sind erfolgreicher in der Stellenvermittlung – entgegen dem «Qualität vor Quantität»-Argument, das Uri anführt. Auch Faktoren wie den Branchenmix eines Kantons, den Basel-Stadt nennt, berücksichtigen die Autoren in ihrer Analyse.

Was bringt die Meldepflicht den Unternehmen?

Entscheidend ist aber ohnehin nicht die Rangliste, sondern der Nutzen für die Unternehmen vor Ort: Was bringt ihnen die Stellenmeldepflicht wirklich?

Anruf bei Christian Hasler (51), der im luzernischen Weggis das Wellness-Hotel Alexander & Gerbi führt. Da in der Gastronomie- und Hotelleriebranche die Arbeitslosigkeit über fünf Prozent liegt, muss Hasler alle offenen Stellen melden. Seine Bilanz: «Von den vielleicht zehn Stellen, die wir in den letzten Jahren ausgeschrieben hatten, konnten wir keine einzige mit einem RAV-Bewerber besetzen.»

Das liege weniger am RAV als an den Stellensuchenden selber, sagt Hasler. «Einmal habe ich auf eine offene Stelle sechs Dossiers zugeschickt bekommen.» Fünf Bewerber habe er kontaktiert, vier hätten nicht einmal geantwortet. Die fünfte Person kam nicht in Frage, da er jemanden für den Frühstücksservice suchte und die frühen Arbeitszeiten mit den Kinderbetreuungspflichten der Betreffenden nicht vereinbar waren.

Hasler wünscht sich bessere Kommunikation

Hasler hat die Erfahrung gemacht, dass die harte Arbeit und die unregelmässigen Arbeitszeiten im Gastgewerbe viele Stellensuchende abschrecken. Er wünscht sich deshalb von den RAV-Beratern, dass sie mit den Arbeitslosen besser abklären, ob die offene Stelle für sie in Frage kommt. Denn: «So wie es jetzt ist, bringt die Stellenmeldepflicht gar nichts – ausser viel Aufwand.»

Selbst in Kantonen wie Zürich, dessen RAV im Bericht verhältnismässig gut abschneiden, sind die Erfahrungen durchzogen. Laut Benjamin Styger (45) vom Hotel Uto Kulm antwortet das RAV auf praktisch alle gemeldeten Stellen mit Dossiers potenzieller Kandidaten. Zu einer Anstellung komme es dennoch so gut wie nie. «Jene, die ernsthaft an einer Stelle interessiert sind, melden sich von sich aus», stellt Styger fest, «sie warten nicht, bis das RAV ihr Dossier übermittelt.» Der Gedanke, arbeitslose Inländer bevorzugt einzustellen, sei zwar gut. Aber: «Die Leute, die wir brauchen, hat das RAV unserer Erfahrung nach nicht.»

Für Unternehmen mühsam

Für Unternehmen, so viel wird klar, ist die Stellenmeldepflicht mühsam – und der Ertrag zumeist bescheiden. Die Forderung der SVP-Masseneinwanderungs-Initiative – auf welche die Stellenmeldepflicht zurückgeht –, Kontingente für alle ausländischen Arbeitskräfte einzuführen, wäre allerdings noch einschneidender gewesen.

Edgar Spieler (54), Leiter Arbeitsmarkt im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, zieht deshalb eine vorsichtig positive Zwischenbilanz. Die Meldepflicht habe zu einer höheren Transparenz auf dem Arbeitsmarkt geführt: «Stellensuchende in Berufen mit hoher Arbeitslosigkeit haben heute mehr Zugang zu passenden Stellen.»

Hoffnung auf Verbesserung

Auch Spieler räumt ein, dass es in den ersten Jahren vereinzelt Startschwierigkeiten gab, und zwar «hüben wie drüben». Doch die Zusammenarbeit zwischen den RAV und Arbeitgebern werde sich weiter verbessern, ist er überzeugt.

Ob dem so ist, müssen künftige Berichte zeigen. Und auch, ob die Stellenmeldepflicht dereinst jene Funktion erfüllt, für die sie erfunden wurde: die Arbeitslosigkeit und die Zuwanderung zu reduzieren.

Bislang ist das nicht der Fall.

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