Eine nationale Impfwoche, mehr mobile Impfequipen, Impfberater und eine Prämie für «Impfluencer»: Mit diesen Massnahmen will der Bundesrat die Impfquote im Land in die Höhe treiben. Vergangene Woche hat Bundesrat Alain Berset die Pläne für die Impfoffensive vorgestellt.
In den Kantonen kommen die Vorschläge gar nicht gut an. Die Kantonsregierungen sind zwar mit dem Bund eins, dass die Impfquote gesteigert werden muss. Doch nicht auf diese Weise.
Impfprämie sei «ein Hohn»
Besonders heftige Kritik wird am 50-Franken-Gutschein laut, den Personen erhalten sollen, die andere von der Impfung überzeugen. Auch der Vorschlag, Beraterinnen und Berater in alle Gegenden des Landes zu schicken, um Unentschlossene zum Impfen zu bringen, wird praktisch durchs Band abgelehnt.
Die Vorschläge seien weder zielführend noch praktikabel, teilt der Kanton St. Gallen mit. Die Haltung entspricht jener sämtlicher Ostschweizer Kantone. Die Impfprämie sei «ein Hohn», findet der Kanton Thurgau, St. Gallen bezeichnet die Massnahme als «nicht vertretbar».
«Der Impfentscheid sollte nicht durch zusätzlichen Druck oder aufgrund von monetären Anreizen, sondern aufgrund von gesellschaftlichen und gesundheitlichen Überlegungen gefällt werden», so die kantonale Regierung. Auch Zürich kritisiert, dass «falsche Anreize» gesetzt würden. Es könnte sich «mit Blick auf die Covid-Auffrischungsimpfungen oder künftig notwendige Impfungen als kontraproduktiv erweisen, wenn bestimmte Personen in der Erwartung eines finanziellen Anreizes mit dem Impfen zuwarten, bis eine Entschädigung in Aussicht gestellt wird».
Gesetzesgrundlage infrage gestellt
Die Neuenburger Regierung schreibt, dass man jegliche Vergütung «sowohl aus ethischen als auch aus praktischen Gründen» ablehne. Dies könnte laut dem Kanton «ein sehr problematischer Präzedenzfall» darstellen, «der zum Beispiel der Kommerzialisierung von Organspenden, Blutspenden usw. Tür und Tor öffnen könnte».
Die Aargauer Regierung gibt zudem zu bedenken, dass fraglich sei, ob überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die 50-Franken-Gutscheine bestehe. Ein ähnliches Problem sehen die Kantone bei den Impf-Beratern: Die Behörden wissen aufgrund des Datenschutzes nicht, wer geimpft ist und wer nicht. Die Massnahme wäre deshalb ineffizient, so die vorherrschende Meinung.
Und die Solothurner Regierung gibt zu bedenken, dass ein direkter persönlicher Kontakt, sei dies telefonisch oder via Hausbesuch, zu aufdringlich sei und nicht den «kulturellen Gegebenheiten» entspreche.
Potenzial sei ausgeschöpft
Die Ostschweizer Kantone lehnen auch die geplante Massnahme ab, 170 zusätzliche mobile Impfequipen in die Kantone zu schicken. «Bereits heute stehen in verschiedener Hinsicht Informationsangebote für die Bevölkerung zur Verfügung», hält der Kanton St. Gallen fest. Der Kanton setze schon jetzt mobile Impfeinheiten ein. Mehr sind aus seiner Sicht nicht nötig.
Auch mehrere andere Kantone schreiben, dass das Potenzial in ihrer Gegend ausgeschöpft sei und mehr Impfstellen deshalb nichts bringen würden. Zürich gibt zudem zu bedenken, dass das Konzept des Bundes «angesichts der Mittelknappheit beim Gesundheitspersonal zurzeit nicht umsetzbar» sei.
Nur Bündner und Basler sind dafür
Einer der wenigen Kantone, die dem Bundesrat den Rücken stärken, ist Basel-Stadt. Der Basler Regierungsrat spricht sich für die Gutscheine und die Entsendung von Impf-Beraterinnen aus. Allerdings nur, wenn der Bund die Kosten für die Bons übernimmt und die Abrechnungsmodalitäten mit den Kantonen praktikabel ausgestaltet würden. Die Basler Regierung konnte fast nicht anders, als der Impf-Offensive grünes Licht zu geben, nachdem Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger – Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren – sich am Wochenende öffentlich für das Massnahmenpaket ausgesprochen hatte.
Auch Graubünden teilt mit, die Gutschein-Idee grundsätzlich gut zu finden. Man solle es zumindest versuchen, «auch wenn solche Systeme in anderen Ländern nicht funktioniert haben». Anstelle des Gutscheins oder ergänzend dazu, schlägt Graubünden vor, könnten auch kostenlose Antikörpertests angeboten werden oder die Gutscheine könnten direkt an Geimpfte abgegeben werden.
Bessere Vergütung für Ärzte
Auf breite Zustimmung stösst einzig der Plan einer nationalen Impfwoche, die im November stattfinden soll. «Der vorliegende Vorschlag des Bundes scheint aber noch zu wenig ausgereift», findet der Kanton Luzern. Es stelle sich die Frage, warum so lange zugewartet werden soll. Die Aargauer Regierung hingegen findet den Zeitplan «zu ambitiös» und schlägt vor, dass die Impfwoche erst Ende November stattfindet.
Die Kantone sind der Meinung, dass aber auch mit anderen Massnahmen die Impfquote erhöht werden könnte und sollte. Solothurn schlägt vor, dass eine Impfhotline in verschiedenen Sprachen auf Bundesebene eingerichtet wird. Neuenburg möchte unter anderem, dass allen Haushalten eine Informationsbroschüre zur Impfung geschickt wird.
Kritisiert wird auch die unterschiedliche Vergütung für die Impfung. Ärzte erhalten pro Piks nur noch 16.50 Franken, Apotheken hingegen 24.50 Franken. Zahlreiche Ärztinnen und Ärzte hätten aufgrund der fehlenden Kostendeckung ihre Impftätigkeit eingestellt. Dabei, schreiben die Regierungen, wären Arztpraxen gerade in ländlichen Regionen «eine wichtige und niederschwellige Anlaufstelle».
Mehrere Kantone fordern zudem, dass der Bundesrat ein klares Impfziel festlegt und kommuniziert. «Somit wäre der ganzen Bevölkerung klar, welche Impfquote angestrebt und nötig ist, damit die aktuellen Massnahmen beendet werden können», schreibt der Schwyzer Regierungsrat.
Die Kantone haben bis heute Zeit, dem Bund ihre Meinung zu den Vorschlägen zu schicken. Der Bundesrat entscheidet kommenden Mittwoch.