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Hört uns endlich zu!
Bürgerliche hässig auf Bundesrat

Einige Politiker tun sich schwer damit, ihre Machtlosigkeit während der Pandemie zu akzeptieren. Eine Analyse.
Publiziert: 07.03.2021 um 10:26 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2021 um 12:59 Uhr
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Vorderhand bleiben die Restaurants weiterhin geschlossen.
Foto: imago images/Viennareport
Camilla Alabor

Aus parteipolitischer Sicht ist die Corona-Krise eine ­undankbare Angelegenheit: Wie kann man sich in Szene setzen, wenn am Ende doch immer nur der Bundesrat entscheidet?

Insbesondere im bürgerlichen ­Lager wirkt der Tonfall zunehmend gereizt. Mancher Politiker der Die-Mitte-Partei, aus FDP oder SVP möchte schneller öffnen – muss dann aber feststellen, dass die parlamentarischen Druckversuche auf den Bundesrat nur begrenzt erfolgreich sind.

Mitgliedern der Gesundheitskommission stiess diese Macht­losigkeit besonders sauer auf. So unterstützten FDP- und Die-Mitte-Politiker vor zwei Wochen kurzerhand einen SVP-Antrag, den Bundesrat zu übersteuern. Nach ihrem Willen sollten Restaurants und Fitnesszentren per 22. März öffnen dürfen, unabhängig von der epidemiologischen Lage. Die Wirtschaftskommission (WAK) übernahm den Antrag wenig später – um nebenbei gleich der wissenschaftlichen Taskforce das Maul zu verbieten: Künftig sollten nur noch der Bundesrat und – natürlich – das Parlament die Öffentlichkeit über Corona-Massnahmen informieren dürfen.

Ungewohnter Angriff von staatstragenden Parteien

Bei der SVP, die den Ruf nach ­sofortigen Lockerungen als Wahlkampfschlager entdeckt hat, überraschte ein solcher Vorstoss wenig. Eher unerwartet hingegen war der Support von Die Mitte und FDP. In ­einer Krisensituation den Bundesrat zu entmachten und die Wissenschaft mundtot machen zu wollen – derart populistische ­Angriffe auf Institutionen war man sich von den staatstragenden Parteien nicht gewohnt.

FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger (53) räumt auf Anfrage ein, es sei «nicht schön», ein fixes Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben: «Dass wir den Antrag der SVP unterstützen, war auch Ausdruck davon, dass wir dem Bundesrat zahlreiche Briefe geschrieben haben, ohne gehört zu werden.» Viele Menschen seien verärgert und wollten wieder arbeiten.

In der FDP wie in der Die-Mitte-Partei stösst diese Anlehnung an die SVP durchaus auf Kritik. Die-Mitte-Präsident Gerhard Pfister (58) macht keinen Hehl daraus, dass er vom Verhalten seiner Parteikollegen in der WAK nicht viel hält. Für ihn, der den bundesrätlichen Kurs stets verteidigte und dabei die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiss, kommt dieses Vorpreschen einer persönlichen Des­avouierung gleich.

Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit für Taskforce

Ein Corona-Graben geht auch durch die FDP. Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (54) hält es für ein «absolutes No-Go», ein Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben, «ebenso wie den Maulkorb für die Taskforce». Sie glaubt aber, dass sich der Streit, der in den letzten Wochen hochkochte, wieder etwas beruhigt hat.

Welche langfristigen Folgen der Angriff der Bürgerlichen auf die Institutionen hat, ist offen. Doch das Ringen darum, wer in der Corona-Krise die Oberhand hat, dauert an. Die WAK beharrte diese Woche in einer weiteren Sitzung da­rauf, die Meinungsäusserungs­freiheit der Taskforce künftig einzuschränken. Der überarbeitete Antrag sieht vor, dass sich der Taskforce-Präsident zu den Corona-Massnahmen zwar äussern darf – aber erst, nachdem der Bundesrat seine Entscheide bereits gefällt hat.

Andere Regeln gelten für die ­Politiker. Ihre eigene Redefreiheit ist – natürlich – gewährleistet.

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