Historiker Urs Altermatt über die spannendsten unserer 120 ehemaligen Bundesräte
Die Schweizer Royals

Heute erscheint das aktualisierte Bundesratslexikon. Ein Standardwerk für Profis und Laien. Autor Urs Altermatt stellt die sieben bislang interessantesten Magistraten vor.
Publiziert: 23.01.2019 um 11:34 Uhr
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Minger an der Siegerehrung der Winter-Armeemeisterschaft im Kanton Schwyz, undatierte Aufnahme. Minger war 1935 Bundespräsident sowie 1934 und 1940 Vizepräsident.
Foto: Sobli
Hannes Britschgi

Urs Altermatt (76) ist der Bundesratsexperte schlechthin. Der Historiker und Autor des Bundesratslexikons nennt die Mitglieder der Landesregierung republikanische Royals und meint auf Nachfrage: «Bundesräte können nicht abgesetzt werden. Wie Könige eben. Auch ihre langen Amtszeiten erinnern an Royals.»

Der Bundesrat hat seit 170 Jahren unverändert Bestand. Für Altermatt ist die siebenköpfige Kollegialregierung die «originellste Schöpfung» mit einer ausserordentlichen personellen Stabilität. Die durchschnittliche Amtsdauer der 120 Bundesräte beträgt zehn bis elf Jahre.

Er landete einen Bestseller

Schon in jungen Jahren schrieb Altermatt über Bundesräte – damals für die «NZZ». Als Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg konzipierte er mit dem Artemis Verlag das «Bundesratslexikon» als Festbeitrag für das 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft von 1991.

Die erste Auflage war schnell ausverkauft. Ein Bestseller. Der Verlag legte mit einer zweiten Auflage sofort nach. Als Geschenkbuch und Lesebuch ein Longseller.

Heute, 25 Jahre später, erscheint im Verlag NZZ Libro die vollständig überarbeitete Neuauflage mit 20 neuen Porträts jener Bundesräte, die seit 1991 aus dem Amt geschieden sind. Für BLICK hat der Historiker Altermatt aus dem Fundus sieben auffällige Bundesräte ausgewählt.

Der Sesselkleber

Der Sesselkleber Carl Schenk: 1823–1895 Im Amt: 1864–1895 Partei: FDP Der Berner hält den Rekord der längsten Amtszeit: 31 Jahre, 7 Monate, 6 Tage. Er schied unter dramatischen Umständen aus dem Amt. Ein Pferdefuhrwerk überrannte ihn beim Bärengraben. Nach zehn Tagen erlag er den Folgen des Unfalls.

Der Abenteurer

Der Abenteurer Emil Frey: 1838–1922 Im Amt: 1891–1897, Partei: FDP Der Baselbieter wanderte jung in die USA aus. Im Sezessionskrieg kämpfte auf Seiten der Yankees und überlebte eine Geiselhaft. Zurück in der Schweiz wurde er Landschreiber, Regierungsrat, Journalist, Nationalrat, Oberstbrigadier, Gesandter in Washington und nach mehreren Anläufen Bundesrat. Nach sechs Jahren liess er sich zum Direktor des Büros der Internationalen Telegrafen-Union ernennen, wo er 25 Jahre ausharrte.

Der Versöhner

Der Versöhner Josef Zemp:1834–1908 Im Amt: 1892–1908, Partei: CVP Der Luzerner war der erste Vertreter der katholisch-konservativen Opposition im Bundesrat. Er versöhnte die Innerschweiz mit dem Bundesstaat. Mit der Verstaatlichung der Eisenbahn ging er als Vater der SBB in die Geschichte ein.
Foto: Sobli

Der Grossbauer

Der Grossbauer Rudolf Minger: 1881–1955 Im Amt: 1930–1940 Partei: Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, heute SVP Der schollenverbundene Berner setzte sich als Vorsteher des Verteidigungsdepartements mit einem ihm eigenen Stil von den akademischen Bundesratskollegen ab. Die Schweiz feierte ihren populären Bundesrat mit träfen Minger-Witzen.
Foto: RDB Sobli

Der Büezer

Der Büezer Willi Ritschard:1918–1983 Im Amt: 1974–1983 Partei: SP Der Solothurner schaffte es als einziger Arbeiter in den Bundesrat. Seine soziale Herkunft machte ihn zu einer Identifikationsfigur. Sein Talent, komplexe Zusammenhänge auf einprägsame Pointen zu verdichten, war legendär: «Was nützt der Tiger im Tank, wenn ein Esel am Steuer sitzt.»
Foto: Blick

Die Gestrauchelte

Die Gestrauchelte Elisabeth Kopp: geb. 1936 Im Amt: 1984–1989 Partei: FDP Die Zürcher Nationalrätin wurde als erste Frau in den Bundesrat gewählt. Entsprechend gross war ihr Rückhalt in der Schweizer Bevölkerung. Aber die Justizministerin strauchelte wegen eines verheimlichten Telefonanrufs und trat unter dem Druck der eigenen Partei und der Medien zurück.
Foto: Sobli

Der Provokateur

Der Provokateur Pascal Couchepin: geb. 1942 Im Amt: 1998–2009 Partei: FDP Der Walliser versteckte seine Ambitionen nie. Er wollte in den Bundesrat und wurde gewählt. Er wollte das Volkswirtschaftsdepartement und bekam es. Er hatte Temperament, reizte seine Gegner – zum Beispiel Christoph Blocher – und war sich auch für unpopuläre Forderungen wie Rentenalter 67 nicht zu schade.
Foto: Keystone
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