Das gabs im Bundeshaus mitten in der Legislatur schon lange nicht mehr: Gleich fünf Neulinge werden heute im Nationalrat vereidigt. Die Grüne Irène Kälin (30, AG), SVP-Frau Diana Gutjahr (33, TG), EVP-Mann Nik Gugger (47, ZH) sowie die beiden Freisinnigen Hansjörg Brunner (51, TG) und Rocco Cattaneo (58, TI) nehmen ihre nationalrätliche Arbeit auf.
Sie alle rutschen genau zur Legislaturhalbzeit ins Parlament nach – aus unterschiedlichsten Gründen. Mit ihnen wird der Nationalrat weiblicher, bunter und sportlicher. BLICK erklärt, was Sie über die fünf Neuen wissen müssen.
Irène Kälin – die Islamwissenschafterin
Dass die Aargauerin Irène Kälin heute ins Parlament einzieht, hängt mit einer unglücklichern Vorgeschichte zusammen: Ihr Vorgänger Jonas Fricker (40) tritt nach einem unsäglichen Holocaust-Vergleich im Parlament nach nur zwei Jahren von der Bundesbühne ab. Diese Bühne will nun die Islam- und Religionswissenschafterin prononciert für ihre Anliegen nutzen. So will sie sich aktiv in die Islamdebatte einschalten und der SVP Paroli bieten.
Die Burka-Initiative ist dafür ein gefundenes Fressen. «Die Burka existiert in der Schweiz ja gar nicht, ausser ein paar Touristinnen und zum Islam konvertierten Frauen trägt sie niemand», sagt Kälin in der «Aargauer Zeitung». «Es ist völlig absurd, anhand von vielleicht zehn Fällen darüber zu diskutieren, ob die Burka ein Symbol der Unterdrückung ist.»
Die wanderlustige Kälin politisiert nicht nur grün, sondern auch dezidiert links. So arbeitete sie früher als Unia-Gewerkschaftssekretärin und präsidiert aktuell die Aargauer Dachorganisation der Arbeitnehmenden. «Eine gerechte und solidarische Sozialpolitik ist für mich das Fundament für eine langfristige und vorausschauend nachhaltige Politik», so Kälin.
Diana Gutjahr – die Unternehmerin
Eine Thurgauer Powerfrau sorgt bei der männerdominierten SVP für mehr Frauenpower: Die Unternehmerin Diana Gutjahr rückt für den früheren Bauern-Präsidenten Hansjörg Walter (66) nachrückt. Mit ihrer aufgestellten Art gilt sie als Shootingstar und Hoffnungsträgerin.
Zusammen mit ihrem Mann führt sie einen Stahl- und Metallbaubetrieb mit rund 80 Mitarbeitern. Auf ihrer Homepage finden sich denn auch keine ausländerkritischen Parolen, vielmehr rückt sie ihr Engagement für einen starken Finanz- und Werkplatz in den Vordergrund. Für Gutjahr ist klar: «Gesellschaftliche Solidarität, ökologische Verantwortung sowie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind die Schlüsselindikatoren für unseren Wohlstand.»
Nik Gugger – der Indien-Schweizer
Maja Ingold (69) hat für ihn den Platz geräumt, und der indische Botschafter Sibi George (49) wird heute seine Vereidigung vor Ort mitverfolgen: Nik Gugger, der neue Zürcher EVP-Nationalrat mit indischen Wurzeln. Und diesen bleibt er treu: So betreibt er in Winterthur ein indisch-schweizerisches Restaurant und vertreibt ein ayurverdisches Getränk.
«Als Native Indian, in der Schweiz sozialisiert, kann ich in der interkulturellen Schweiz zwischen den Kulturen und Generationen vermitteln», so der EVP-Politiker und Leiter der reformierten Fabrikkirche.* Er betont aber: «Die Inder und Inderinnen, die ich in der Schweiz kenne und die hier wohnhaft sind, sind kulturell, beruflich und sozial gut integriert.»
Politisch setzt sich der Sozialunternehmer und dreifache Vater besonders für die Belange und Integration sozial Schwacher ein.
Hansjörg Brunner – der Gewerbler
Mit Hermann Hess (66) räumt ein eigentlicher Hinterbänkler nach nur zwei Jahren seinen Nationalratssitz. Umso besser für seinen Nachfolger Hansjörg Brunner (51)– grosse Fussstapfen muss der neue Thurgauer FDP-Nationalrat und Inhaber einer mittelständischen Druckerei nicht ausfüllen.
Inhaltlich steht bei ihm die Gewerbe-Politik im Mittelpunkt. «Weniger bürokratische Schikanen und Hürden für die Wirtschaft und weniger Schuldenwirtschaft», setzt sich Brunner zum Ziel. Sich selbst bezeichnet der zweifache Vater als Familienmensch. Und sportlich ist auch er: Aktiv als Skifahrer und Tennisspieler, passiv als «grosser Fan des FC Zürich», dessen Matchprogramm sein Betrieb übrigens druckt.
Rocco Cattaneo – der Velo-Fan
Als Ignazio Cassis (56) am 20. September in den Bundesrat gewählt wurde, jubelte ein Tessiner ganz besonders: Rocco Cattaneo. Der frühere Radprofi rückt nämlich für Cassis in den Nationalrat nach. Und zur Vereidigung rückte der Präsident des europäischen Radsportverbandes mit dem Rennvelo an: Letzten Freitag nahm er unter dem Motto «Das Velo macht Freude – la bici è gioia» die 250 Kilometer lange Anfahrt vom Tessin nach Bern unter die Räder.
Damit setzt er nicht nur ein sportliches, sondern auch ein politisches Zeichen. Cattaneo ist nämlich Mitinitiant der Velo-Initiative und setzt sich für sichere Veloverbindungen ein. «Das Velo ist das Verkehrsmittel der Zukunft», sagt der dreifache Vater. «Weil immer mehr Kinder, Männer, Frauen, aber auch ältere Personen Velo fahren, braucht es sichere Veloverbindungen.»
Da mutet der Job des «Gümmelers» etwas seltsam an. Der umtriebige Unternehmer leitet nämlich die Firma City Carburoil, die unter anderem Tankstellen und Autobahnraststätten betreibt.