Heute spricht der Bundesrat über die Europa-Strategie
Maurer will die EU verklagen

FDP-Bundesrat Ignazio Cassis präsentiert der Landesregierung eine Auslegeordnung für die Beziehungen zur EU. Es sieht mehr nach Verschnaufpause als nach Neuanfang aus. Und Maurer zettelt derweil die Eskalation an: Der SVP-Magistrat will die EU verklagen.
Publiziert: 31.01.2018 um 11:50 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:00 Uhr
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Neo-Bundesrat Ignazio Cassis präsentiert seine Europa-Pläne.
Foto: Keystone

Heute Mittwoch präsentiert der neue Aussenminister Ignazio Cassis (56) seine Europa-Pläne. Wer sich einen «Reset», also einen völligen Neubeginn, erhoffte, wird enttäuscht. Was der Tessiner seinen Regierungskollegen vorlegt, ist laut mehreren Quellen lediglich eine breite Auslegeordnung.

Und dass die verschiedenen Bundesräte zu gemeinsamen Entscheiden kommen, ist kaum zu erwarten. Das hat sich schon vergangene Woche am Weltwirtschaftsforum (WEF) gezeigt: «Vier Bundesräte vertraten fünf verschiedene Meinungen», so ein Aussenpolitiker der kleinen Kammer. «Fünf deshalb, weil Cassis innert einer Woche zwei unterschiedliche Meinungen ventilierte.»

Mandat soll für Schiedsgericht erweitert werden

BLICK-Recherchen zeigen, der FDP-Magistrat wird verschiedene Optionen ausbreiten und sich allerlei Prüfaufträge von der Landesregierung geben lassen, beispielsweise, ob als Streitschlichtungsstelle im Rahmenabkommen statt des EU-Gerichtshofs (EuGH) auch das Efta-Gericht eine Lösung sein könnte oder wie es mit einem Schiedsgericht aussehen würde.

Damit Schiedsgerichte in die Verhandlungen mit der EU eingebracht werden könnten, steht auch die Ausweitung des bestehenden Verhandlungsmandats im Raum.

Ausgerechnet Maurer ruft nach «fremden Richtern»

Derweil hat SVP-Bundesrat Ueli Maurer (67) einen regelrechten Kampfplan gegen die EU aufgestellt. Der Zürcher hat gleich mehrere brisante Anträge für die Europaaussprache eingereicht. Laut «Tagesanzeiger» schlägt Maurer in einem vertraulichen Aussprachepapier vor, den Streit mit der EU eskalieren zu lassen. Und dies, in dem der Bundesrat rechtliche Schritte gegen die EU-Kommission vorbereitet.

Grund: Die sogenannte Börsen-Äquivalenzanerkennung, die die EU der Schweiz bloss befristet gewährt und diese damit gegenüber anderen Börsenplätzen diskriminiert. Jetzt fordert Maurer, dass der Bundesrat gegen diesen Entscheid eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ins Auge fasst. Konkret schlägt Maurer vor, dass Cassis vom Gesamtbundesrat das Mandat erhält, eine solche Klage zu prüfen.

Brisant: Ausgerechnet ein SVP-Bundesrat will das oberste EU-Gericht anrufen. Normalerweise schimpft die SVP den EuGH «fremde Richter» und lehnt jegliche Einflussnahme in den bilateralen Gelegenheiten ab. Aus dem gleichen Grund hat die SVP prophylaktisch den bedingungslosen Widerstand gegen das geplante Rahmenabkommen mit der EU angekündigt.

Maurer hat Bundesrat-Auftrag in Rekordzeit umgesetzt

Und auch eine Alternative hat Maurer im Kopf: Er will abklären lassen, ob der Börsen-Entscheid der EU-Kommission über ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) nichtig gemacht werden könnte. Hiefür braucht er Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP), der im Bundesrat für WTO-Belange zuständig ist.

Zudem will Maurer die Schweizer Börsen- und Finanzplatz mit Steuererleichterungen stärken. Den Auftrag dafür erhielt er kurz vor Weihnachten vom Bundesrat. Jetzt hat er in Rekordzeit Vorschläge ausgearbeitet. Unter anderem will er die Stempelsteuern abzuschaffen und die heutige Verrechnungssteuer teilweise zur Zahlstellensteuer umbauen.

Damit bricht Maurer ein Tabu bürgerlicher Finanzpolitik: Er schlägt dem Gesamtbundesrat vor, die Schuldenbremse aufzuweichen. Und dies dadurch, dass die jedes Jahr entstehenden Kreditreste von rund 800 Millionen Franken künftig nicht mehr zwingend in den Schuldenabbau, sondern zurück in den Bundeshaushalt fliessen könnten. (vfc/pt)

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