SBB-Chef Andreas Meyer (58) hat nichts als Ärger am Hals. Ein internes Dokument belegt nämlich, dass innerhalb der SBB spätestens im Januar 2018 bekannt war, welche Gefahr von den defekten Türen der EW-IV-Wagen ausgeht. Das machte der «SonntagsBlick» publik.
Heute musste Meyer wegen der Sicherheitsproblematik auch noch bei der nationalrätlichen Verkehrskommission (KVF) antraben. Doch diese liess sich von den Erklärungsversuchen offenbar nicht so einfach einlullen wie vor zwei Wochen noch die zuständige Ständeratskommission. Diese hatte sich nach der Anhörung geradezu handzahm gegeben. Damals lobte etwa FDP-Ständerat Josef Dittli (62, UR) Meyers «glaubwürdigen Auftritt» und sprach ihm sein Vertrauen aus. Und Meyer versprach: «Die Sicherheit ist das oberste Gebot!»
«Endlich Hausaufgaben machen»
SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (55, TG) zeigt sich als Präsidentin der nationalrätlichen Schwesterkommission wesentlich kritischer. «Wir erwarten, dass die SBB-Führung endlich ihre Hausaufgaben macht», sagt sie heute vor den Medien. «Das Management kann nicht nur hohe Saläre verdienen, sondern muss seine Aufgaben jetzt auch wirklich wahrnehmen.»
Gewisse Bereiche seien vernachlässigt und Prioritäten falsch gesetzt worden, kritisiert Graf-Litscher. So erwartet die Kommission etwa, dass die SBB-Chefs Anregungen und Meldungen des Personals ernster nähmen, anstatt solche einfach zu schubladisieren. Ebenso müsse für genügend Lokführer und Fachpersonal gesorgt werden.
Unterhalt vor Ausbau
Einen grossen Knackpunkt ortet Graf-Litscher auch beim Unterhalt. «In erster Linie muss der Betrieb und damit das Tagesgeschäft funktionieren.» Erst in zweiter Linie müsse man in eine neue App oder andere Zukunftsbereiche investieren. Darauf müsse auch der Bundesrat als Eigner einwirken.
Konkret heisst das: Die SBB sollen sich stärker auf Unterhalt und Betrieb fokussieren. Das bedeutet auch, dass die Gelder aus dem Bahnfonds Fabi stärker in diesen Bereich fliessen sollten. Die Konsequenz daraus: «Allenfalls müssen gewisse Ausbauprojekte etwas zurückgestellt werden», so Graf-Litscher.
Politiker müssen sich an der Nase nehmen
Doch gerade hier müssen sich die Parlamentarier selber an der Nase nehmen. Erst gerade in der Sommersession haben sie ein weiteres Bahnausbau-Programm im Umfang von rund 13 Milliarden Franken gutgeheissen. Sie haben sogar mehr in das Ausbauprogramm gepackt, als vom Bundesrat vorgeschlagen – die Wahlen lassen grüssen. Damit tragen sie eine Mitverantwortung.
Darauf angesprochen sagt die SP-Frau: «Die Politik ist sich dessen bewusst geworden, dass man nicht nur neue Tunnels und Brücken einweihen kann und ein schönes Fest feiert, sondern dass in erster Linie der Betrieb und Unterhalt sichergestellt werden muss.» Mit dem Bahnfonds habe man ein entsprechendes Zeichen gesetzt. «Das muss in der Praxis nun gelebt werden.»
Berichte abwarten
Das Vertrauen mochte die Kommissionspräsidentin der SBB-Spitze nicht aussprechen. «Das ist nicht unsere Aufgabe, wir sind ja keine Aufsichtskommission», so Graf-Litscher. Nun gelte es den Bericht der Unfalluntersuchungsstelle sowie das Audit des Bundesamts für Verkehr abzuwarten. Diese würden dann zeigen, wer wann was wusste.