Die berufliche Vorsorge steckt in der Klemme. Zum einen, weil die Schweizer länger leben und Renten daher länger finanziert werden müssen. Deswegen wollen Stände- und Nationalrat jetzt den Umwandlungssatz senken. Der zweite Grund: die tiefen Zinsen.
Um überhaupt Rendite erzielen zu können, legen die Kassen riskanter an. So steigen etwa die Investments in Aktien stark an.
Risikoreiche Hedge Funds und Rohstoff-Investments locken mit Renditen
Noch problematischer sind alternative Anlagen. Laut Swisscanto-Pensionskassenstudie 2016 wuchs deren Anteil am Anlagemix von 2013 auf 2015 um 22 Prozent! Hinter dem Wort verstecken sich nicht etwa Anlagen in Bio-Ackerbau. Sondern risikoreiche Hedge Funds oder Rohstoff-Investments, die mit hohen Renditen locken.
«Pensionskassen müssen, um bessere Renditen zu erwirtschaften, zusätzliche Anlagerisiken in Kauf nehmen», räumt Hanspeter Konrad (58), Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes (Asip), ein. So hat etwa die Migros-Pensionskasse in den letzten Jahren vermehrt Kreditrisiken ins Portfolio genommen.
Um die berufliche Vorsorge hat sich ein Ökosystem entwickelt
Sie ist eine von landesweit 1782 Pensionskassen. Fast 790 Milliarden Franken stecken in der zweiten Säule. Um die herum hat sich ein Ökosystem entwickelt. So sorgt die berufliche Vorsorge für neue Berufe. An der Hochschule Luzern kann man Pensionskassen-Management studieren. Selbständige Experten beraten die Kassen. Ganze Abteilungen in Banken legen die Gelder für die Kassen gegen Kommission an. Doch sie bekommen den Hals offenbar nicht voll genug.
Vor kurzem warnte die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg), dass man ohne eine Anpassung der Anlagestrategie Leistungskürzungen in Kauf nähme. Sie empfahl deshalb: nichttraditionelle beziehungsweise alternative Anlagen. «Für die Altersguthaben der zweiten Säule würde dies zu einer Erhöhung von zirka acht Milliarden Franken führen», heisst es in einer Mitteilung – «vor Kosten». Denn die Banken machen richtig Geld mit der Verwaltung solcher Produkte.
Banken treiben Pensionskassen mit Gebühren in neue Anlagen
Colette Nova (55), als Vizedirektorin beim Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zuständig für die zweite Säule, sagt: «Banker sind keine Philantropen.» Es sei in Ordnung, wenn sie für ihre Dienstleistungen bezahlt würden. «Es wird nur dann schwierig, wenn sie dafür weibeln, Pensionskassen dazu zu bringen, in kostenintensive Finanzprodukte zu investieren.»
Manche Banken treiben die Pensionskassen mit Gebühren in neue Anlagen. Sie reichen den Negativzins von 0,75 Prozent, den sie selbst auf Einlagen bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zahlen, nicht nur weiter, sondern verlangen noch mehr.
«Das Vorgehen der Banken ist äusserst stossend»
«Das Vorgehen der Banken ist äusserst stossend», empört sich Asip-Direktor Konrad. Renditen bei den Pensionskassen würden geschmälert, die Gewinne der Banken erhöht. «Sie geschäften auf dem Buckel der Pensionskassen.»
Nur eine Bank verrät auf Anfrage, was sie tut. Die Berner Kantonalbank erklärt, ab Einlagen von zehn Millionen Franken verlange sie von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen über 0,75 Prozent Gebühren. Sprecher Alex Josty schiebt nach: «Wir bereichern uns nicht. Zu den Negativzinsen kommen auch Verwaltungskosten hinzu.»
Pensionskassen steigen bereits aus Hedge Funds aus
Wohin die Negativzinsen die Pensionskassen treiben, steht im Geschäftsbericht der Pensionskasse der Stadt Zürich. 2015, heisst es dort, habe man «zur Abfederung der Negativzinsen» die Hedge-Funds-Quote erhöht. Auch Anlagen in Aktien- und Rohstoffe kamen hinzu. Das Ziel: «Bei geringem zusätzlichem Risiko eine etwas höhere Rendite.»
Ob sich das lohnt? 2015 machte die Kasse mit Hedge Funds 0,3 Prozent Verlust. Die Vermögensverwaltungskosten lagen über der Rendite. Einige Kassen machen beim Geschäft der Banken mit den Pensionsgeldern nicht mit. So stieg etwa die Aargauer Bafidia aus Hedge Funds aus.