Die SBB-Konzernleitung unterstützt den Bau eines zweiten Gotthard-Strassentunnels. Das sorgt bei der Basis für Ärger. «Die SBB-Spitze stösst das Personal mit dieser Parole vor den Kopf, da sie damit die Verlagerungspolitik und SBB-Arbeitsplätze gefährdet. Unsere Leute sind sauer!», sagt Giorgio Tuti von der Eisenbahnergewerkschaft SEV.
«Nachdem der erste Gotthard-Strassentunnel 1980 eröffnet wurde, sanken die Passagierzahlen bei der Bahn von 20'000 auf 9000 Personen pro Tag», so Tuti. Auf die Neat werde sich die zweite Röhre ebenfalls klar negativ auswirken. «Die Haltung der SBB-Spitze ist völlig unverständlich – offenbar gab es da eine entsprechende Direktive vom Bund.»
Aktionstag am 2. Februar
Kein Wunder also, blasen die Bähnler nun zum Gegenangriff. Am 2. Februar werden Hunderte Gewerkschafter an einer Aktion gegen die zweite Röhre teilnehmen: An allen grösseren Bahnhöfen der Schweiz werden sie den Pendlern Postkarten verteilen.
Auf der Karte ist ein Bild mit SBB-Angestellten im Gotthard-Basistunnel der Neat zu sehen, der am 1. Juni offiziell eröffnet wird. Ihre Botschaft: «Sensation am Gotthard: Die zweite Röhre ist schon da!»
Der Basistunnel schaffe mehr als genug Kapazität, um den Personen- und Gütertransport zwischen Nord und Süd zuverlässig und sicher abzuwickeln, sagt SEV-Präsident Tuti. Auch während der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels ohne zweite Röhre. «Die Verladelösung ist machbar. Und unsere Leute wollen allen zeigen, dass sie das können.»
Hämmerle bricht sein Schweigen
Doch nicht nur die Bähnler machen mobil. Mit dem Bündner alt SP-Nationalrat Andrea Hämmerle stellt sich ein prominenter Alpenschützer an ihre Seite. Lange hatte Hämmerle geschwiegen, da er im SBB-Verwaltungsrat sitzt. Zur offiziellen SBB-Position will er sich denn auch nicht äussern.
«Aber als Mitinitiant der Alpeninitiative und langjähriger Verkehrspolitiker sage ich klar: Der Ausbau der Strassenkapazität ist verkehrspolitisch völlig falsch», so Hämmerle. «Sie ist eine klare Konkurrenz zur Neat. Wir haben 20 Milliarden in die Neat investiert, mit den drei Milliarden Franken für den neuen Strassentunnel wird diese Investition sinnlos konkurrenziert.»
Für Hämmerle ist zweite Röhre zudem schlicht verfassungswidrig: «Die Kapazität wird auf vier Spuren erhöht, auch wenn – vorerst zumindest – nur zwei genutzt werden. Das widerspricht dem Alpenschutz-Artikel in der Verfassung.»
«Mit wenig Aufwand sofort mehr Sicherheit»
Und wie steht er zum wichtigsten Argument der Tunnelfreunde, der Verkehrssicherheit am Gotthard? «Der Sicherheitsgewinn mit einer zweiten Röhre ist minimal. Man könnte mit wenig Aufwand viel mehr Sicherheit produzieren – und das sofort und nicht erst in 20 Jahren. Zum Beispiel durch bauliche Massnahmen wie Mittelleitplanken.»
Zudem könne man das frei gewordene Geld andernorts an gefährlichen Hotspots in die Sicherheit investieren. «Dann erhält die ganze Schweiz mehr Verkehrssicherheit.»