Droht der Klebevignette das Aus?
2:28
Grünes Licht für E-Vignette:Droht der Klebevignette das Aus?

Grünes Licht für die E-Vignette
Droht der Klebevignette das Aus?

Der Ständerat hat die Einführung der E-Vignette durchgewinkt. Im Nationalrat hingegen ist Widerstand programmiert. SVP-Nationalrätin Nadja Pieren warnt vor der Abschaffung der Klebevignette und Mobility Pricing.
Publiziert: 18.02.2020 um 11:55 Uhr
|
Aktualisiert: 18.02.2020 um 13:44 Uhr
1/7
SVP-Nationalrätin Nadja Pieren will von einer Abschaffungs-Klausel für die Klebevignette nichts wissen.
Foto: keystone
Ruedi Studer

Die E-Vignette ist nicht zu stoppen. In der Wintersession hat der Ständerat grünes Licht für die Einführung der digitalen Autobahn-Vignette gegeben. Jetzt ist der Nationalrat am Zug. Und auch hier ist die Vorlage auf Kurs: Die zuständige Verkehrskommission hat die Einführung am Dienstag mit 18 zu 6 Stimmen gutgeheissen.

Künftig sollen Autobahnbenützer wählen können, ob sie die bisherige Klebevignette an der Windschutzscheibe befestigen oder ob sie sich digital via Kontrollschild registrieren lassen wollen. Das lästige Kleben und Wiederwegkratzen entfällt mit der E-Vignette.

«Mein Ziel ist klar, die Bevölkerung soll frei zwischen der herkömmlichen und der elektronischen Vignette wählen können», sagt CVP-Nationalrat Martin Candinas (39, GR), der die Regelung mit einer Motion angestossen hat. «Damit machen wir auch bei der Vignette den Einstieg in die digitale Welt.»

War die Vorlage im Ständerat noch weitgehend unbestritten, wird sie im Nationalrat auf mehr Widerstand stossen. Die SVP stellt sich grundsätzlich gegen die Vorlage. So befürchtet etwa SVP-Nationalrätin Nadja Pieren (40, BE), dass der Klebevignette früher oder später das Aus droht.

Abschaffungs-Passus streichen

Tatsächlich hält ein Passus fest, dass die Klebevignette abgeschafft wird, sobald ihr Anteil nur noch einen Zehntel aller verkauften Vignetten ausmacht. Heute werden jährlich rund zehn Millionen Stück produziert. Fällt der Anteil also unter eine Million, wird sie abgeschafft.

Genau das stört Pieren. Sei das ganze System mal auf elektronisch umgestellt, sei damit die Grundlage für eine neue Strassengebühr und eine Überwachung der Autofahrer geschaffen. «Wir wollen verhindern, dass über die Hintertür Mobility Pricing eingeführt wird und der Staat überwachen kann, wer wie weit mit dem Auto fährt.»

Tiefere Busse für Vignetten-Sünder

SVP-Frau Nadja Pieren (40) will die Beratung über die E-Vignette auch dafür nutzen, Vignetten-Sünder zu schonen. Wer heute ohne Vignette die Autobahn benützt, wird mit 200 Franken gebüsst. Pieren will die Busse auf 80 Franken reduzieren.

«Der Autofahrer ist heute schon die Milchkuh der Nation», so Pieren. Eine fehlende Vignette gefährde niemanden, da seien 200 Franken zu viel. «Das ist reine Abzocke.»

«Der grösste Witz»

Martin Candinas (39, CVP) kann über diesen Vorschlag nur den Kopf schütteln. «Das ist der grösste Witz», wettert er. «Es gibt keinen Grund, Vignetten-Sünder zu schonen.» Es brauche auf eine gewisse Abschreckung, damit die Vignette auch gekauft werde.

Denn: «Alle Einnahmen aus der Vignette fliessen in die Strassenkasse», betont Candinas – immerhin rund 360 Millionen Franken jährlich. Und: «Rund ein Drittel davon stammt von ausländischen Autofahrern, die in die Schweiz kommen oder durch die Schweiz fahren.»

SVP-Nationalrätin Nadja Pieren. Bild: Keystone

SVP-Frau Nadja Pieren (40) will die Beratung über die E-Vignette auch dafür nutzen, Vignetten-Sünder zu schonen. Wer heute ohne Vignette die Autobahn benützt, wird mit 200 Franken gebüsst. Pieren will die Busse auf 80 Franken reduzieren.

«Der Autofahrer ist heute schon die Milchkuh der Nation», so Pieren. Eine fehlende Vignette gefährde niemanden, da seien 200 Franken zu viel. «Das ist reine Abzocke.»

«Der grösste Witz»

Martin Candinas (39, CVP) kann über diesen Vorschlag nur den Kopf schütteln. «Das ist der grösste Witz», wettert er. «Es gibt keinen Grund, Vignetten-Sünder zu schonen.» Es brauche auf eine gewisse Abschreckung, damit die Vignette auch gekauft werde.

Denn: «Alle Einnahmen aus der Vignette fliessen in die Strassenkasse», betont Candinas – immerhin rund 360 Millionen Franken jährlich. Und: «Rund ein Drittel davon stammt von ausländischen Autofahrern, die in die Schweiz kommen oder durch die Schweiz fahren.»

Sie will den Abschaffungs-Passus deshalb streichen. «Es geht mir dabei auch um jene Generation, die mit digitalen System nicht bewandert und dadurch überfordert ist. Die Klebevignette muss deshalb zwingend bleiben.»

Candinas sieht sich als Türöffner

Candinas hingegen erachtet die Ängste als unbegründet. «Die Abschaffung der Klebevignette ist überhaupt nicht mein Ziel. Ich bin nicht der Totengräber der Klebevignette, sondern der Türöffner für die freie Wahl», stellt der Bündner klar.

Es mache aber keinen Sinn, die Klebevignette weiterhin anzubieten, wenn die niemand mehr wolle. «Wenn der Anteil unter zehn Prozent fällt, ist die Abschaffung vernünftig: Wir müssen nicht wegen ein paar Fans das System doppelt führen.»

So schnell werde das zudem nicht passieren: «Die Klebevignette wird es wohl über zehn Jahre geben.» Zudem betont er: «Die E-Vignette hat mit Mobility Pricing nichts zu tun. Zu einem solchem Systemwechsel hätte sowieso das Stimmvolk das letzte Wort.»

Pieren gegen mehr Kontrollen

Für Pieren hingegen gilt: Wehret den Anfängen! Um die E-Vignette zu kontrollieren, sieht die Vorlage nämlich durchaus «Anlagen für automatisierte Kontrollen» vor, über welche die Kontrollschilder gescannt würden. Offen ist, ob fixe Anlagen möglich sein sollen oder nur mobile Systeme – wie heute etwa mobile Tempo-Blitzer.

In der Verkehrskommission fiel der Entscheid dazu knapp aus: Mit 12 zu 11 Stimmen sprach sie sich für die abgeschwächte Version aus, wonach die Kontrollen ausschliesslich stichprobenartig mittels mobilen Geräten erlaubt sein sollen.

Pieren geht aber auch dies zu weit. Wie heute sollen auch bei der E-Vignette nur Stichprobenkontrollen direkt durch die Polizei möglich sein. «Es gibt keinen Grund, die Kontrollen gegenüber heute auszuweiten», sagt sie.

Kommt das Referendum?

Offen ist, ob am Schluss das Volk über die Vorlage entscheidet. Pieren selbst hat bereits einmal erfolgreich – damals zusammen mit Parteikollege Walter Wobmann (62, SO) – ein Referendum gegen eine Vignetten-Vorlage ergriffen. Das Duo bodigte die Erhöhung von 40 auf 100 Franken.

Nun will Pieren die Debatte im Nationalrat abwarten. «Mit unseren Anträgen versuchen wir, der Vorlage die Zähne zu ziehen», so Pieren. «Erst am Schluss werden wir entscheiden, ob das Referendum nötig ist.»

Wenn nicht, wird die E-Vignette per 2022 eingeführt. Neben der seit 1985 gängigen Klebevignette – vorerst.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?