SonntagsBlick: 48 Prozent der Grünen-Anhänger wollen der Ukraine Waffen liefern; 50 Prozent gar den Nato-Beitritt. Wie passt das zum grünen Pazifismus?
Balthasar Glättli: Der Ukraine-Krieg ist längst auch ein Krieg der Werthaltungen: westlich-europäische Demokratie gegen ein autoritäres Russland. Die grüne Wählerschaft positioniert sich vor diesem Hintergrund klar: Während Teile der SVP das autoritäre Russland und Putins Kampf gegen die gesellschaftliche Vielfalt bewundern, wollen wir Menschenrechte, Demokratie und eine offene Gesellschaft verteidigen.
Und dazu braucht es Waffenlieferungen und einen Nato-Beitritt?
Mich erstaunt die Nato-Positionierung tatsächlich sehr. Unsere Wahlplattform von 2019, die wir parteiintern und in den Kantonen breit diskutiert haben, fordert nämlich das Gegenteil: Ein stärkeres Engagement der Schweiz für die Friedensförderung in der Uno und der OSZE statt in der Nato Partnership for Peace.
Müssen Sie diese Position angesichts des Ukraine-Kriegs nicht überdenken?
Wir haben in der Fraktion intensive Diskussionen geführt. Eins ist klar: Die wichtigste strategische Entscheidung liegt in der Energiepolitik. Der rasche Ausstieg aus der Abhängigkeit von Öl, Gas und Uran ist nicht nur beste Klima-, sondern auch Sicherheits- und Friedenspolitik. Fossile Energien stärken Putin und Ölscheichs. In der Sicherheitspolitik möchte eine klare Mehrheit der Fraktion von der militärischen Neutralität nicht abrücken. Wir finden aber, dass sich die Schweiz viel stärker für eine europäische Sicherheitsarchitektur einsetzen müsste, die es leider momentan nicht gibt.
Das Interview wurde schriftlich geführt.