Bestätigt sich der Trend aus den Kantonen, avancieren die Grünen bei den eidgenössischen Wahlen zu den grossen Gewinnern. Spätestens mit der Wahl von Martin Neukom (32) in den Zürcher Regierungsrat schwelgt die Ökopartei im Hoch.
Doch egal, wie das Rennen im Oktober ausfällt – der Umweltpartei steht eine Zäsur bevor: Die Berner Nationalrätin Regula Rytz (57) wird im kommenden Jahr die Leitung der Partei abgeben. Laut Statuten ist die Präsidentschaft auf maximal acht Jahre beschränkt, Rytz übernahm das Amt im April 2012 gemeinsam mit Adèle Thorens (47, VD).
«Selbst amerikanische Präsidenten machen nach acht Jahren Platz», sagt Rytz zu SonntagsBlick. Bei dem Gespräch diese Woche im Bundeshaus blickt sie auf den Beginn ihrer Amtszeit zurück. Damals übernahm sie eine Partei, die sich in einer ganz anderen Verfassung präsentierte. Nach der Wahlniederlage von 2011 habe Enttäuschung geherrscht.
Schwergewichte wie Jo Lang (65, ZG) kosteten die Verluste den Sitz im Nationalrat, die grünliberale Konkurrenz etablierte sich auf Bundesebene.
«Adèle und ich mussten viel Vertrauen aufbauen», sagt Rytz. «Wir zogen von Kanton zu Kanton, haben viel in die Stärkung der lokalen Sektionen investiert.» Organisation und Kampagnenfähigkeit der Partei seien gestärkt worden. «Wir haben gelernt, aus wenigen Mitteln viel zu machen. Jassen ohne Trümpfe, sage ich immer.»
Nur, der Turnaround liess auf sich warten. 2015 sackten die Grünen auf einen Wähleranteil von sieben Prozent ab. «Wir haben nicht gejammert, sondern die Ärmel hochgekrempelt», sagt die Parteichefin. Es folgten vier nationale Kampagnen – etwa für den Atomausstieg – und ein steter Zustrom neuer, vor allem junger Mitglieder. Angesichts der aktuellen Ausgangslage wäre alles ausser einem deutlichen Zuwachs im Herbst ein Misserfolg – und ein herber Dämpfer zum Abschied.
Was kommt als Nächstes?
Rytz betont zwar, sie wolle die Regelung ihrer Nachfolge den Parteifreunden überlassen. Glauben mag man dies der Noch-Präsidentin aber nicht so recht – zumal sie auch ausserhalb des Präsidiums weiter politisieren wird, sei es im Nationalrat oder, etwas weniger wahrscheinlich, als Berner Ständerätin.
«So wie ich Regula Rytz kenne, hat sie sich bestimmt Gedanken über ihre Nachfolge gemacht», sagt die Grünen-Nationalrätin Irène Kälin (32, AG). «Sie hat immer betont, dass nach ihr ein Generationenwechsel stattfinden müsse – und das sehe ich genauso. Es würde mich freuen, wenn erneut eine Frau das Präsidium oder Co-Präsidium übernähme.»
Männliche Parteichefs gebe es genug, glaubt Kälin, die eine eigene Kandidatur ausschliesst. Parlamentarierinnen wie Nationalrätin Lisa Mazzone (31), die in Genf um den Einzug in den Ständerat kämpft, und Nationalrätin Sibel Arslan (38) aus Basel stünden für einen Generationenwechsel. Ebenso wie die aktuelle Vizepräsidentin der Schweizer Grünen, Florence Brenzikofer (43), die jüngst mit einem Spitzenresultat als Baselbieter Landrätin bestätigt wurde.
Zugleich wird über Ambitionen der Zürcher Nationalräte Balthasar Glättli (47) und Bastien Girod (38) spekuliert. Glättli leitet mit Mazzone den nationalen Wahlkampf. An eine allfällige Kandidatur verschwende er daher noch keinen Gedanken, sagt er. Noch geben sich potenzielle Anwärterinnen und Anwärter bedeckt. Spätestens nach den Wahlen wird es mit dieser Zurückhaltung vorbei sein.