Grüne verlangen Gesetzesänderung
Razzia bei Klima-Aktivisten hat politisches Nachspiel

Die Grünen fordern eine unabhängige Untersuchung der Polizeiaktion im Waadtland. Und die Abschaffung eines Gesetzes, das Aufrufe zum Armee-Boykott verbietet.
Publiziert: 06.06.2021 um 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2021 um 09:56 Uhr
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Weil Klimaaktivisten in einem offenen Brief zum Militärstreik aufgerufen haben, wurden ihre Wohnungen durchsucht.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Eberhard

Sie kamen im Morgengrauen. Vor knapp zwei Wochen durchsuchten Polizisten die Wohnungen von drei Waadtländer Klimaaktivisten. Sie beschlagnahmten elektronische Geräte und schleppten die Aktivisten für stundenlange Verhöre auf den Polizeiposten. Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) hatte laut «Tages-Anzeiger» persönlich grünes Licht für die Strafverfolgung gegeben.

Der Grund für die Aktion liegt ein Jahr zurück. Damals hatten Westschweizer Klimaschützer in einem offenen Brief an die Regierung zu einem Militärstreik aufgerufen. Sie seien aus ethischen, moralischen, ökologischen und sozialen Gründen nicht damit einverstanden, weiter Militärabgaben zu zahlen.

Grünen fordern Unabhängige Untersuchung

Festnahmen und Hausdurchsuchungen wegen eines offenen Briefs? Der Fall dürfte Bundesbern noch eine Weile beschäftigen. Die Grünen fordern eine unabhängige Untersuchung und wollen bereits kommende Woche eine parlamentarische Initiative einreichen – im National- wie auch im Ständerat.

Darin fordern sie die Abschaffung des Artikels 276 im Strafgesetzbuch, der öffentliche Aufrufe zum Ungehorsam gegen militärische Befehle oder zu Dienstverletzungen verbietet.

Fraktionschefin Aline Trede: «Unverhältnismässig»

Fraktionschefin Aline Trede sagt zu SonntagsBlick: «Das Gesetz erinnert mehr an Kriegszustand denn an die Realität im Jahr 2021.» Rein juristisch hätten Keller-Sutter und die Bundesanwaltschaft nicht falsch gehandelt. Dennoch sei die Polizeiaktion «völlig unverhältnismässig». Das zeige, dass das Gesetz der Hauptfehler sei und deshalb gestrichen gehöre.

Der Fall der Waadtländer Klimaaktivisten ist laut Trede zudem ein Beispiel für das, was bei der Annahme des neuen Anti-Terror-Gesetzes (PMT) droht: willkürliche Repression.

Droht Willkür?

Das Gesetz, über das am 13. Juni entschieden wird, ist nicht in jedem Punkt eindeutig formuliert und erlaubt Sicherheitsbehörden im Kampf gegen potenzielle Gefährder den Einsatz weitreichender Mittel.

So dürfte die Polizei künftig präventiv gegen Personen vorgehen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass von ihnen eine terroristische Gefahr ausgeht. Sie könnten dann zum Beispiel über Monate hinweg unter Hausarrest gestellt werden, ohne eine Straftat begangen zu haben. Dies aufgrund der Einschätzung, jemand verbreite – wie es im Gesetz steht – «Furcht und Schrecken».

Könnten durch die unpräzisen Formulierungen in der Vorlage auch Kreise ins Visier geraten, die mit Terrorismus nichts zu tun haben? Keller-Sutter versicherte wiederholt, dass vom neuen Gesetz keine Gefahr für Willkür ausgehe. Es würden ganz sicher nicht plötzlich friedliche Corona-Skeptiker in den Fokus geraten. Oder Klimaaktivisten. «Sie protestieren, das ist absolut legitim», sagte sie in der SRF-Sendung «Arena».

Nach den Festnahmen im Waadtland zweifeln Kritikerinnen und Kritiker des PMT mehr denn je an diesen Beteuerungen. Grünen-Nationalrätin Aline Trede: «Das Missbrauchspotenzial ist enorm. Wer garantiert, dass es nicht ebenfalls zu solch unverhältnismässigen Massnahmen kommt?»

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