Die Schweizer Linke ringt um ihre Position zur Europäischen Union. Gerade im Wahljahr erachtet die SP-Spitze eine Europa-Diskussion als heikel. Im Zuge der Griechen-Misere aber stehen prominente Vertreter von SP und Grünen auf die Hinterbeine und sagen: So nicht, Europa!
Kürzlich gründeten SP-Nationalrat Cédric Wermuth, Grünen-Vize Jo Lang und andere ein Solidaritätskomitee für Griechenland. Nach dem Streit ums Referendum gelte es nun ernst, finden sie. Heute findet eine Sitzung statt. Klar ist bereits jetzt: Die systemkritischen Schweizer Linken wollen griechische Hilfswerke unterstützen und Kundgebungen gegen die aktuelle EU-Politik organisieren. Denn für diese haben sie kein Verständnis mehr.
«Wenn die EU im Süden Europas sozialpolitisch und in der Flüchtlingspolitik menschenrechtlich versagt, stelle ich ihre Zukunft in Frage», sagt Jo Lang. Der Historiker ortet das Grundproblem der EU: «Eine Währungsunion ohne politische Union ist eine Fehlkonstruktion und zum Scheitern verurteilt.»
Das sehen auch seine Mitstreiter so. SP-Nationalrat Carlo Sommaruga glaubt, die EU überlebe nur, wenn sie sozialer werde. «Sonst entfernt sich die Bevölkerung von der Idee eines geeinten Europas.» Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission findet es «unvorstellbar, wie die EU ihre Werte wie Solidarität und Demokratie verrät».
Der Referendum-Zoff brachte das Fass bei vielen Genossen zum Überlaufen. Für ihr Handeln fehle der EU die demokratische Legitimation, findet Wermuth. Er spricht von einer «Erpressung» des griechischen Volkes. Selbst die Elite der EU wisse, dass ihre Vorschläge untauglich seien. «Es geht nur darum, die linke griechische Regierung zum Rücktritt zu zwingen – und nicht um das Wohl des Volks oder die Rettung Europas», so Wermuth. Für Lang zeigen die Entwicklungen, «dass der EU die Kapital-Interessen wichtiger» seien als Demokratie.
Doch nicht alle Linken malen schwarz. Nationalrat Martin Naef, Präsident der Neuen Europäischen Bewegung (Nebs), kann die EU-Haltung gegenüber dem Referendum «nachvollziehen». In einer laufenden Verhandlung die Spielregeln zu ändern, gehe nicht. «Das ist eine Flucht aus der Verantwortung», sagt er zu Tsipras’ Ankündigung. Zwar finde er die Sparpolitik der EU «aus linker Sicht völlig falsch». Gerade deshalb müsse die Schweiz aber «die Möglichkeit haben, in den EU-Gremien mitzudiskutieren und mitzuentscheiden». Schliesslich sei die Schweiz auch von der Entwicklung in Griechenland betroffen, sagt er mit Verweis zum Euro-Wechselkurs.