GLP-Präsident Martin Bäumle über die Wahlen und den Bundesrats-Poker
«Lieber ein zweiter CVP-Sitz als ein SVP-Hardliner»

Der Präsident der Grünliberalen Martin Bäumle spricht im Interview über seine Hoffnungen für die anstehenden Nationalratswahlen, wofür die Grünliberalen stehen und welchen Kandidaten seine Partei in den Bundesratswahlen unterstützen würde.
Publiziert: 05.10.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:06 Uhr
«Wir wollen in den Bundesrat - jetzt ist es aber noch zu früh.»
Foto: Siggi Bucher
Interview von Nico Menzato

BLICK: Laut Umfragen verlieren die Grünliberalen die Wahlen. Sechs der heute zwölf Nationalratssitze wackeln. Was haben Sie falsch gemacht?
Martin Bäumle:
Nichts. Vor vier Jahren haben wir sechs Sitze knapp gewonnen. Wir wussten, dass es nicht einfach wird, diese zu verteidigen. Die Sitze sind wacklig, aber nicht verloren. Ich traue den Umfragen nicht – diese stimmten kaum je. Mein Ziel ist, zwölf Nationalratssitze zu verteidigen. Dann bin ich zufrieden.

Der GLP droht der Rauswurf aus dem Stöckli. Der Uri-Sitz ist weg, Ihre Chancen in Zürich sind mässig.
Der Wahlkampf in Zürich ist nicht leicht. Alle Ständeratskandidaten sind über Nacht grün­liberal geworden. Alle sind ein bisschen öko. SVP-Kandidat Vogt gibt sich sehr gesellschaftsliberal. Daniel Jositsch, dessen SP die Überwindung des Kapitalismus im Parteiprogramm hat, gibt sich sehr bürgerlich. Da verbiegen sich einige für eine höhere Wahlchance. Das Volk tut gut daran zu schauen, wer seine Positionen beim Umweltschutz und der starken Wirtschaft in den Genen hat und sie auch nach den Wahlen vertritt.

Spannend dürften die Bundesratswahlen werden – sofern Eveline Widmer-Schlumpf nicht mehr antritt. Wen wählt die GLP dann?
Mit einem Kandidaten, der für die bilateralen Verträge, die Energiewende und eine starke Wirtschafts- und Finanzpolitik einsteht, erhielte die SVP wohl den ihr gemäss Konkordanz zustehenden zweiten Sitz.

Diesen Kandidaten gibt es nicht.
Ich bin gespannt, welche Kandidaten die SVP bringt. Damit einer allenfalls die Stimmen der GLP erhält, muss es eine Persönlichkeit sein, die bereit ist, Herausforderungen der Zukunft konstruktiv und gemeinsam in einer Exekutive zu lösen. Ein Hardliner ist ausgeschlossen. Das bisherige Verhalten der Partei lässt mich allerdings zweifeln, ob sie überhaupt einen zweiten Bundesrat will. Sie fühlt sich offensichtlich sehr wohl in der Opposition.

SP-Chef Levrat verlangt zwei Sitze für die Mitte. Eine einmalige Chance für einen GLP-Bundesrat?
Zwei Sitze für die Mitte sind ein mögliches Szenario. Im Vordergrund würde eher ein zweiter CVP-Sitz stehen. Das sage ich ganz offen. Wegen der Ge­schichte, der Tradition und dem Wähleranteil. Wir Grün­liberalen wollen in den Bundesrat – jetzt ist es aber noch zu früh. Wir sind eine junge Partei, in der Phase der Konsolidierung. Ein Bundesratssitz wäre eher vermessen und wohl nicht nachhaltig.

Und die BDP?
Die BDP hätte bei einem Rücktritt von Widmer-Schlumpf ganz klar keinen Anspruch mehr. Sie hatte den Sitz als kleinste Mittepartei acht Jahre.

Sind zwei FDP-Sitze zementiert?
Nicht zwingend, nein. Eine weitere Variante wäre es, den Widmer-Schlumpf-Sitz in der Mitte zu halten und ihn beim Rücktritt eines FDP-Bundesrats der SVP zu geben.

Wieso die Attacke auf die FDP, die Ihnen inhaltlich nahesteht?
In Wirtschaftsfragen sind wir Partner. Doch beim Rating der «Bilanz» zur Wirtschaftsfreundlichkeit stehen wir noch vor der FDP. In der Finanzpolitik war sie wenig konsequent – machte oft Pfründenpolitik für die eigene Klientel. Aber vor allem ist die FDP null Prozent für die Umwelt und torpediert die Energiewende.

Ist diese bei einem Rechtsrutsch im Parlament in Gefahr?
Ja, nach vier Jahren Hoffnungsschimmer steht die Energiewende auf Messers Schneide. SVP und FDP wollen sie kippen.

Sie übertreiben. Auch die FDP will keine neuen AKW!
Die FDP will die Vorlage versenken, damit alles offenbleibt. Mit der Absicht, in einigen Jahren wieder über ein neues AKW zu sprechen. Das sagen sie nicht offen, weil es im Moment nicht opportun ist. Aber es ist klar: Die FDP setzt auf AKW.

Der Ständerat hat entschieden, keine neuen AKW zu bauen. Die bestehenden dürfen aber unbeschränkt weiterlaufen. Ein Atomausstieg light also.
Weniger als das. Es ist inakzeptabel, dass gemäss Ständeratsvorschlag AKW unbeschränkt weiterlaufen können, ohne dass Betreiber ein Langzeitsicherheitskonzept vorlegen müssen. Die Aufsichtsbehörde Ensi verlangt dies, AKW-Betreiber lehnen es ab – und der Ständerat folgt der Branche. Das wäre, wie wenn die Finanzmarktaufsicht Banken kontrollieren wollte und nicht dürfte.

Falls es bei der Ständeratsvari­ante bleibt: Unterstützen Sie dann die Grünen-Initiative, AKW nach 45 Jahren vom Netz zu nehmen?
Die Schweiz hat ein Versorgungsproblem, wenn Gösgen und Leibstadt nach 45 Jahren abgestellt werden müssen. Ohne Langzeitsicherheitskonzept unterstützen wir aber die zu radikale Initiative der Grünen. Die Sicherheit muss bei AKW oberste Priorität haben.

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