Die Forderungen der Klimabewegung waren von Beginn weg radikal. Nun aber wird auch die Art, diese durchzusetzen, extremer. Die UBS und die Credit Suisse haben Strafanzeigen eingereicht, weil mehrere Dutzend Demonstranten in Zürich und Basel gestern mehrere Stunden die Zugänge zu Filialen der beiden Banken blockiert hatten. Sie hatten sich teilweise an Blumentöpfe angekettet und weigerten sich, die Blockade aufzulösen. Die Polizei hat nach Verstreichen von Ultimaten insgesamt über 80 Personen festgenommen. Die 61 verhafteten Aktivisten in Zürich müssen mindestens bis Mittwoch in Haft bleiben, meldet die Staatsanwaltschaft Zürich. Im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen müsse für jede einzelne festgenommene Person abgeklärt werden, ob sie sich der Straftatbestände der Nötigung, des Hausfriedensbruchs und allfälliger weiterer Straftatbestände schuldig gemacht hat
Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei bei einer Klimademo einschreiten muss. Vor kurzem sorgten radikale Klimaschützer der Organisation Extinction Rebellion vor dem Bundeshaus in Bern mit einer Kunstblut-Aktion für einen Einsatz. Mitglieder derselben Organisation hatten im April in der Innenstadt von Lausanne zudem eine Brücke blockiert.
GLP-Flach: «Ich verurteile solche Aktionen»
Die Mittel der radikalen Klimaschützer sind auch unter Klimapolitikern umstritten. «Ich verurteile solche Aktionen», sagt der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach (54) klipp und klar. «Etwas ziviler Ungehorsam ist schon okay. Aber so etwas geht gar nicht.»
Dass die Aktionen der Klimabewegung und damit auch den Ökoparteien schaden, glaubt er aber nicht. «Die Bewegung ist mittlerweile so gross, dass sie nicht von solchen Aktionen kaputt gemacht werden kann.» Davon ist auch Balthasar Glättli (47), Fraktionspräsident der Grünen, überzeugt. «Ich mache mir noch keine Sorgen, dass uns die zunehmende Radikalisierung der Proteste schadet. Wichtig für eine breite Akzeptanz der Klimabewegung sei, dass die Aktivistinnen und Aktivisten gewaltfrei protestieren – und das tun sie ja.»
Inhaltlich auf einer Linie
Inhaltlich stehen Grüne und GLP indes ganz hinter der Haltung der Klima-Radikalen. In ihren Positionen hätten die Demonstranten, welche die UBS und CS blockierten, recht, sagt Glättli. «Die Entscheide des Finanzplatzes haben 20-mal grössere Auswirkungen aufs Klima als wir Normalbürger.»
WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter geht gar so weit zu sagen, dass angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht die Aktivisten radikal seien, sondern diejenigen, die den Klimawandel nicht als Risiko sehen. «Die Zeit läuft uns davon», sagt Hofstetter. Noch zu viele Entscheidungsträger würden die Dringlichkeit ignorieren, mit der man weg von Kohle, Öl und Gas kommen müsse. Wenn heute Investoren dank Unterstützung der Schweizer Grossbanken Milliardenbeträge in fossile statt erneuerbare Energie steckten, dann sei das ein sehr radikales und menschenfeindliches Verhalten. Der Schweizer Finanzplatz hinke in Sachen Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich hinterher.
Klimaschüler wollen gewaltfreie Bewegung
Und was halten die Klimaschüler von der Aktion – sie, die mit ihren Streiks die Bewegung auch hierzulande gross machten? Jann Kessler (21) von der Organisation Klimastreik beruft sich auf den Aktionskodex der Jugendbewegung. Darin steht unter anderem, dass alle Aktionen im Zusammenhang mit den Forderungen stehen müssen, welche die Klimaerwärmung eindämmen wollen. «Indem die Aktivisten beim Protest vor der UBS und CS die klimaschädlichen Finanzierungen der Banken hervorhob, haben sie der Vorgabe des Kodex entsprochen», sagt er.
Zudem betont Kessler: «Wir wollen eine gewaltfreie Bewegung, und es ist unsere oberste Priorität, keinem Lebewesen zu schaden.» Die Blockaden vor den Grossbanken hätten diese Voraussetzungen erfüllt.