Für einmal war es im Nationalrat spannender als in jedem Krimi: In einem Hitchcock-Finale um die Rentenreform zählte jede Stimme. SP-Nationalrätin Nadine Masshardt (35, BE) unterbrach extra ihren Mutterschaftsurlaub und ihre Fraktionskollegin Mattea Meyer (32, ZH) eilte hochschwanger ins Bundeshaus, um den Deal zu retten. Das war vor drei Jahren.
Ein solche Hauruck-Übung soll künftig nicht mehr nötig sein, geht es nach GLP-Nationalrätin Katja Christ (47, BS). In Ausnahmefällen sollen Bundesparlamentarier nicht mehr zwingend physisch im Parlament anwesend sein müssen, um mitbestimmen zu können. «Wir müssen eine digitale Teilnahme am physischen Betrieb ermöglichen, damit Parlamentarier in Ausnahmefällen auch von ausserhalb abstimmen oder sogar Wortmeldungen abgeben können», so Christ, die am Mittwoch eine parlamentarische Initiative dazu eingereicht hat.
Corona-Krise als Auslöser
Auslöser für ihren Vorstoss ist die Corona-Krise. «Wir müssen für künftige Notlagen gewappnet sein, damit das Parlament auch in ausserordentlichen Lagen rasch tagen kann.» Christ denkt dabei nicht nur an Pandemien, sondern auch an regionale Ereignisse. Etwa einen Chemieunfall, wegen dem man nicht mehr aus dem Haus darf. Oder eine Naturkatastrophe, wegen der man nicht mehr nach Bern kommt.
Oder eben auch persönliche Umstände, die eine Sessionsteilnahme erschweren oder verunmöglichen. «Ich denke dabei etwa an gesundheitliche Gründe. Zum Beispiel, wenn jemand wegen eines Unfalls, einer Operation oder einer Krankheit im Spital liegt», so Christ. Aber auch an den Mutterschaftsurlaub.
So erinnert Christ an die Basler Babygate-Affäre, als eine grüne Grossrätin nach dem Stillen ihr schlafendes Baby mit in den Grossratssaal nahm, um an einer Abstimmung teilnehmen zu können. Und in Bern brachte die grüne Nationalrätin Irène Kälin (33) ihr Baby auch schon mit in den Nationalratssaal. «Das digitale Parlament wäre auch ein Beitrag an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beziehungsweise Familie und Politik.»
Nur für jemand, der unverschuldet fehlt
Christ macht aber klar: «Solche Ausnahmen müssen klar geregelt sein und jeweils vom Büro genehmigt werden.» Wer sich also rasch an einer Verwaltungsrats- oder Verbandssitzung verabschieden und trotzdem mitbestimmen will, ist bei der Baslerin an der falschen Adresse: «Die Möglichkeit soll nur jenen offen stehen, die unverschuldet vom Parlamentsbetrieb ausgeschlossen sind.»
Kommt hinzu, dass auch im neuen Parlament oftmals knappe politische Verhältnisse herrschen. Christ: «Es wäre schade, wenn es zu Zufallsentscheiden kommt, nur weil jemand unverschuldet fehlt.»