Der Nationalrat sprach sich heute für Massnahmen gegen Lohndiskriminierung aus. Mit 107 zu 85 Stimmen bei 2 Enthaltungen stimmte er für das Eintreten auf eine Gesetzesvorlage – gegen den Willen der SVP und der FDP. Grosse Unternehmen sollen prüfen müssen, ob sie Männern und Frauen gleich viel zahlen. Damit folgte der Rat der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission. Nun berät er über die Details.
Die Befürworter wiesen darauf hin, dass die Gleichstellung der Geschlechter seit 1981 in der Bundesverfassung verankert ist. Dazu gehört auch die Lohngleichheit. «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit», heisst es in Artikel 8. Dieser Anspruch müsse nun endlich erfüllt werden, hiess es im Rat. Man müsse keine Feministin sein, um das zu befürworten, sagte Kommissionssprecherin Christine Bulliard-Marbach (58, CVP). Es genüge, vernünftig zu sein. Noch immer betrage der nicht erklärbare Lohnunterschied 7,4 Prozent. Das könne nicht hingenommen werden.
«Es ist wirklich langsam peinlich»
«Es reicht», sagte SP-Nationalrätin Martina Munz (62) als Sprecherin der SP-Fraktion. «Wir schreiben das Jahr 2018, und noch immer werden die Frauen in unserem Land systematisch diskriminiert, auch beim Lohn.» Auch Aline Trede (35, Grüne) stellte fest, es habe Jahrzehnte für das Frauenstimmrecht gebraucht, Jahrzehnte für das Gleichstellungsgesetz und nun noch einmal Jahrzehnte für dessen Durchsetzung. «Ich bitte Sie, es ist wirklich langsam peinlich.»
GLP-Nationalrat Beat Flach (53, GLP) warf die Frage auf, wie es wohl wäre, wenn es umgekehrt wäre, wenn also Frauen 7 bis 8 Prozent mehr verdienen würden als Männer, nur weil sie Frauen seien. Auch die CVP sprach sich für die Regulierung aus. Aus ihrer Sicht wäre es zwar primär Aufgabe der Unternehmen, das Problem zu lösen, sagte Philipp Kutter (43, CVP). Doch leider dauere es zu lange. Die vorgesehene Regulierung sei «minimal-invasiv». Darauf wies auch Heinz Siegenthaler (BDP/BE) hin: Weder eine Lohnpolizei noch Sanktionen seien vorgesehen.
SVP und FDP: Gleichstellungsgesetz als Papiertiger abgetan
Gegen die Pflicht zu Lohnanalysen sprachen die SVP und die FDP aus. Auch sie wollen, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhielten, versicherte Nadja Pieren (38, SVP). Die vorgeschlagene Regulierung würde aber nur Kosten und Aufwand für die Unternehmen verursachen. Es handle sich um einen Papiertiger. Das Gleichstellungsgesetz ermögliche es bereits heute, gegen Lohndiskriminierung vorzugehen. Der grösste Teil der Unternehmen halte sich zudem an die Lohngleichheit.
Mauro Tuena (46, SVP) stellte fest, Lohnungleichheiten ausschliesslich wegen des Geschlechts könnten eingeklagt werden. Das betonte auch Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler (60, FDP). Die Problematik sei schon geregelt, befand er. Deswegen seien die Befürworter auch in Erklärungsnot und müssten auf Fake-Inserate zurückgreifen. Einmal mehr werde in den liberalen Arbeitsmarkt eingegriffen, kritisierte Bigler. Damit werde die Produktivität beeinträchtigt. Er wies auch auf einen Bundesgerichtsentscheid hin, wonach nicht erklärbare Lohnunterschiede bis zu 5 Prozent zu akzeptieren seien.
Diskriminierung in Frage gestellt
Zu reden gab auch die alte Frage, ob es sich beim nicht erklärbaren Lohnunterschied wirklich um Diskriminierung handle – die Gegner zogen das in Zweifel. Beim Vergleich würden die Erfahrung sowie Berufsunterbrüche nicht berücksichtigt, kritisierte die SVP. SP-Frau Munz erwiderte, dass bereits bei der ersten Stelle ein Unterschied von 7 Prozent bestehe – also bevor überhaupt Erfahrung vorhanden sei.
Der Bundesrat hat dazu von der Universität St. Gallen eine Studie erstellen lassen. Diese kam zum Schluss, dass ein erheblicher Teil der Lohnunterschiede unerklärbar bleibt, auch wenn mehr Faktoren berücksichtigt oder andere statistische Methoden angewendet werden. Kriterien wie die Erwerbserfahrung zu berücksichtigen, ist aus Sicht der Autoren nicht sinnvoll. Dies würde es rechtfertigen, dass Frauen nach einem Erwerbsunterbruch wegen Erziehungsarbeit weniger verdienen. Gemäss der Studie bewerten Arbeitgeber heute Karriereunterbrechungen von Frauen wegen Erziehungsarbeit und von Männern wegen Militärdienst unterschiedlich.
Die Studie besage, dass das Lohngleichheits-Analyseinstrument des Bundes funktioniere, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Ende der Debatte. Sie betonte ausserdem, dass das Gesetz lediglich Transparenz verlange. (SDA/mat)