Er schickte am Freitag eine Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes in die Vernehmlassung. Die Vorlage soll Menschen mit Behinderungen im Erwerbsleben und beim Zugang zu Dienstleistungen besser vor Diskriminierungen schützen, wie es hiess.
Heute sind Menschen mit Behinderungen nur dann umfassend vor Diskriminierungen geschützt, wenn der Staat der Arbeitgeber ist oder Dienstleistungen anbietet. Der Vorentwurf sieht deshalb vor, den Schutz vor direkten und indirekten Diskriminierungen bei privaten Arbeitsverhältnissen und Dienstleistungen auszubauen.
Abbau von Benachteiligungen
Arbeitgebende und Dienstleistungserbringende sollen dazu verpflichtet werden, zum Abbau von Benachteiligungen angemessene Vorkehrungen vorzunehmen. Diese Vorkehrungen müssen zum einen für das entsprechende Unternehmen zumutbar sein. Zum anderen müssen sie geeignet sein, in einer konkreten Situation eine Benachteiligung zu verringern. Dazu gehört zum Beispiel die Verpflichtung, Online-Dienstleistungen barrierefrei anzubieten oder Mitarbeitenden mit Behinderungen flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen.
Der Vorentwurf trägt weiter den sprachlich-kulturellen Anliegen der Gehörlosen mit einem eigenen Abschnitt zur Anerkennung und Förderung der Gebärdensprachen Rechnung. Das hatte das Parlament mit einer Motion gefordert.
Vier Schwerpunktprogramme
Der Bundesrat hat ebenfalls vier Schwerpunktprogramme in den Bereichen Arbeit, Dienstleistungen, Wohnen und Partizipation beschlossen und stellt hierfür zusätzliche Mittel im Umfang von jährlich 500'000 Franken zur Verfügung. Die Programme sollen insbesondere die Voraussetzungen für die künftige Umsetzung der Änderungen im Behindertengleichstellungsgesetz verbessern.
Ein weiteres Ziel ist es, den Erfahrungsaustausch zwischen Bund, Kantonen und Zivilgesellschaft zu fördern, weitere Grundlagen für die Gleichstellung zu erarbeiten und Massnahmen zu erproben, die die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen voranbringen.
«Niederschwelligen Zugang» gefordert
Ein vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) in Auftrag gegebener Bericht zeigt, dass sich die Wirkung der Teilrevision nur sehr schwer einschätzen lässt. Die potenzielle Betroffenheit sei grundsätzlich sehr gross, wenn man analle 1,5 Millionen Menschen mit Behinderungen denkt. Der konkrete Nutzen und die effektiven Kosten seien hingegen weniger klar.
Deshalb schlagen die Autoren des Berichts etwa «einen niederschwelligen Zugang zu einer Beratungsstelle» vor, welche bei Umsetzungsfragen unterstützt. Die Einführung einer Beschwerde- und Schlichtungsstelle würde weiter die Erarbeitung von pragmatischen und zeitnahen Lösungen fördern.
Kritik von Dachverband
Der Dachverband Inclusion Handicap bezeichnete die Vernehmlassungsvorlage in einer ersten Reaktion als «nicht tragbar». Ein starkes Behindertengleichstellungsgesetz sehe anders aus. Tatsächliche Gleichstellung erfordere beispielsweise die Gewährleistung der freien Wahl der Wohnform und die Bereitstellung von Hilfestellungen und Assistenz, damit betroffene Menschen möglichst selbstbestimmt leben könnten.
Zudem sei es unverständlich, dass im Entwurf keine neuen Regulierungsschritte für die verfehlte Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr vorgesehen seien. «Will der Bundesrat die Rechte von Menschen mit Behinderungen wirklich stärken, sind nun griffige Massnahmen erforderlich.»
Druck macht der Verband mit der im April lancierten Inklusions-Initiative. Diese will die tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen und über alle Gesetzesebenen hinweg sicherstellen. (SDA)