Mit einer Grossdemo in Zürich und Streik-Drohungen ist der Streit zwischen der Baubranche und den Gewerkschaften um die Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern vergangenen Juni eskaliert. Weil kein Kompromiss in Sicht war, drohte das Ende der Frührente ab 60 für Angestellte auf dem Bau. Die Bauarbeiter tobten.
Heute nun fand die erste Verhandlungsrunde nach den Sommerferien statt. Dabei sollte es endlich zum lange erhofften Durchbruch kommen. So war der Baumeisterverband bereit, in einigen Punkten den Forderungen der Gewerkschaften entgegen zu kommen. Doch statt auf den Kompromiss einzugehen, hätten sie neue Forderungen gestellt, teilt der Baumeisterverband heute mit. Damit steht die Frührente ab 2019 weiter auf der Kippe.
Die Gewerkschaft Unia kontert umgehend: Man habe einen ausgewogenen Gegenvorschlag gemacht. Während mehr als eines Jahres habe der Baumeisterverband Verhandlungen verweigert. «Jetzt versucht er per Diktat Arbeit auf Abruf durchzusetzen, so dass die Bauarbeiter sich krank und invalid schuften müssen.»
Stiftung nicht mehr im Lot
Die Rente ist zum grossen Streitpunkt geworden, weil die Stiftung, die diese finanziert, wegen der Babyboomer-Generation massive Finanzierungsprobleme hat. Um das Loch zu stopfen, forderte der Baumeisterverband entweder die Erhöhung des Rentenalters auf 62 oder eine Rentenkürzung um bis zu 30 Prozent.
Nun wartete er mit einem Kompromiss auf. Die Renten sollen nur um 5 Prozent sinken, dafür die Lohnbeiträge der Arbeitnehmer von 1,5 auf 2 Prozent erhöht werden. Bei dieser Position sein man gar nicht allzuweit vom Baumeisterverband entfernt, so Nico Lutz von der Gewerkschaft Unia.
Verband einverstanden mit Lohnerhöhung
So weit, so gut. Und nicht nur bei der Frührente war der Baumeisterverband auf Kompromiss-Kurs. Er wäre auch bereit, jedem Bauarbeiter 150 Franken mehr Lohn pro Monat zu bezahlen. Dies war ebenfalls eine Forderung der Gewerkschaften.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Arbeitszeit. Und hier droht der der Streit erneut zu eskalieren. Der Baumeisterverband will, dass die wöchentliche Arbeitszeit «in der Regel» zwischen 35 und 45 Stunden betrage.
«Wolf im Schaftspelz»
Eine Lohnerhöhung und die Rente mit 60 würden nichts nützen, «wenn Arbeiter sich wegen noch längeren Arbeitstagen krank schuften oder vor dem Rentenalter schwer verunfallen», kontert die Unia.
«Die Gesundheit und das Leben der Bauarbeiter sind nicht käuflich.» Schon heute sei der Druck auf dem Bau enorm, die Arbeitstage etwa bei grösster Hitze zu lang. So sei es möglich, in Ausnahmefällen bis zu 12,5 Stunden pro Tag zu arbeiten. «Nun soll das mit bis zu 200 Überstunden und 100 Minusstunden zur Norm werden. Das grenzt an ‹Arbeit auf Abruf› und ist für die Bauarbeiter schlicht nicht zumut- und leistbar», so die Unia weiter.
Parteien verharren in Schützengräben
Der Baumeisterverband hingegen ist überzeugt, mit den Angeboten den Tatbeweis erbracht zu haben, dass man Lösungen finden wolle – so schreibt es der Verband in seiner Mitteilung. Man habe die Forderungen der Gewerkschaften in den zentralen Punkten erfüllt.
Dass diese nicht auf den Kompromiss eingehen, zeige, wie «unersättlich» sie seien. «Kaum sind ihre Forderungen erfüllt, folgt gleich ein neuer Katalog an Zusatzforderungen.» Dies sei eine «Fundamentalopposition auf dem Buckel der Bauarbeiter».
Wenn der Baumeisterverband weiter blockiere und eine völlig verantwortungslose Deregulierung der Arbeitszeit durchsetzen wolle, ist die Geduld der Bauarbeiter bald zu Ende, folgert hingegen die Unia. «In einer Abstimmung haben sich 93 Prozent für Streiks ausgesprochen, falls es keine Verhandlungslösung gibt. Dann steht uns ein ganz heisser Herbst auf den Baustellen bevor.»
Wer 40 Jahre lang auf dem Bau chrampft, hat den Ruhestand mehr als verdient. Tagein, tagaus bei jedem Wetter für andere ein Dach über dem Kopf oder eine Strasse zu bauen, hinterlässt schmerzhafte Spuren in Rücken, Händen, Beinen.
Die Einführung der Frühpensionierung für die Büezer auf dem Bau im Jahr 2003 war daher eine echte Errungenschaft – sozialpartnerschaftliche Schweizer Baukunst, wenn man so will.
Doch nun zeigen sich die ersten Gebrauchsschäden, das Gebäude muss umfassend renoviert werden: Weil derzeit viele Bauarbeiter in Frührente gehen, wird das Geld knapp. Es fehlen mehr als ein paar Dachziegel, das Fundament selbst bröckelt.
Doch statt zusammen anzupacken und das Meisterwerk von einst gemeinsam wieder bewohnbar zu machen, bekriegen sich Baumeisterverband und Gewerkschaft. Sie zeigen sich als liederliche Erben des damaligen Kompromisses. Im Namen von denen, die tagein, tagaus bei jedem Wetter auf den Baustellen des Landes chrampfen: Setzt den Helm auf und fangt endlich an zu arbeiten!
Sermîn Faki
Wer 40 Jahre lang auf dem Bau chrampft, hat den Ruhestand mehr als verdient. Tagein, tagaus bei jedem Wetter für andere ein Dach über dem Kopf oder eine Strasse zu bauen, hinterlässt schmerzhafte Spuren in Rücken, Händen, Beinen.
Die Einführung der Frühpensionierung für die Büezer auf dem Bau im Jahr 2003 war daher eine echte Errungenschaft – sozialpartnerschaftliche Schweizer Baukunst, wenn man so will.
Doch nun zeigen sich die ersten Gebrauchsschäden, das Gebäude muss umfassend renoviert werden: Weil derzeit viele Bauarbeiter in Frührente gehen, wird das Geld knapp. Es fehlen mehr als ein paar Dachziegel, das Fundament selbst bröckelt.
Doch statt zusammen anzupacken und das Meisterwerk von einst gemeinsam wieder bewohnbar zu machen, bekriegen sich Baumeisterverband und Gewerkschaft. Sie zeigen sich als liederliche Erben des damaligen Kompromisses. Im Namen von denen, die tagein, tagaus bei jedem Wetter auf den Baustellen des Landes chrampfen: Setzt den Helm auf und fangt endlich an zu arbeiten!
Sermîn Faki