Grund für einen Blick zurück in die Geschichte der Nationalratswahlen. Diese hält nämlich einige Besonderheiten parat.
Zwei, drei, vier Jahre
Von 2015 bis 2019 dauert die kommende 50. Legislatur für die neugewählten Nationalräte. Vier Jahre also.
Das war nicht immer so. Bis 1931 dauerte eine Legislatur nur drei Jahre. Ein einmaliger Sonderfall war die 24. Legislatur von 1917 bis 1919, die wegen der Einführung des Proporzwahlrechts 1919 sogar nur zwei Jahre dauerte.
Die von der SP als «Angriff auf die Volksrechte» bekämpfte Verlängerung auf vier Jahre kam 1931 in der Volksabstimmung mit 54 Prozent Ja nur relativ knapp durch.
Improvisierte Wahl 1848
Die erste Nationalratswahl im Oktober 1848 brauchte viel Improvisation. Es gab noch kein nationales Wahlgesetz und keinen einheitlichen Wahltermin. Die Kantone mussten die Wahlen einfach vor dem 6. November 1848 vornehmen, da an diesem Tag die erste Bundesversammlung eröffnet wurde.
Gewählt wurden die damals insgesamt 111 Nationalräte an Wahlversammlungen. Die Wahlteilnahme wurde dabei von den tonangebenden Freisinnigen teils gezielt erschwert, um so die Opposition praktisch auszuschalten. Etwa, indem mitten am Vormittag gewählt wurde, damit keine Arbeiter teilnehmen konnten. Oder indem schlecht erreichbare Wahlorte bestimmt wurden. Da im Majorz gewählt wurde, kam es im Einzelfall bis zu vier Wahlgängen.
Tessiner Wahl 1854 annulliert
Das Tessin sorgte 1854 für einen Sonderfall. Die Tessiner mussten ihre sechs Abgeordneten nämlich zweimal wählen. In der ersten Rund gewann die Opposition aus Konservativen und Linksradikalen, die sich als «Fusionisti» zu einem Bündnis zusammengefunden hatten, alle sechs Tessiner Sitze. Es kam zu heftigen Reaktionen der Freisinnigen.
Offenbar hatten Gewalttaten, Unregelmässigkeiten und gar Wahlbetrug das Resultat beeinflusst. Der Nationalrat annullierte das Ergebnis und 1855 mussten die Tessiner nochmals wählen.
Diesmal überliessen die Freisinnigen nichts dem Zufall, gingen teils mit Waffengewalt gegen die Opposition vor – und errangen alle sechs Sitze.
Proporzwahl seit 1919
Bis 1917 wurde der Nationalrat im Majorz gewählt. Resultat war eine Übermacht des Freisinns. 1917 besetze er noch immer 103 von mittlerweile 189 Nationalratssitzen. 1919 wurde der Proporz eingeführt – mit einem massiven Machtverlust für die Freisinnigen, die nur noch 60 Abgeordnete stellten.
Grosse Gewinner der Proporzwahl waren die Sozialdemokraten und die Bauern-, Gewerbe und Bürgerpartei (BGB, heute SVP). Damit war die FDP-Dominanz endlich gebrochen.
«Lex Duttweiler»
Jahrzehntelang waren Mehrfachkandidaturen in verschiedenen Kantonen erlaubt. Das nutzte Migros- und LdU-Gründer Gottlieb Duttweiler 1935. Er trat in verschiedenen Kantonen als Spitzenkandidat an und eroberte in Bern, Zürich und St. Gallen je ein Mandat für die Unabhängigen.
Er selbst zog dann aber für den Kanton Bern in den Nationalrat ein. Der Mehrfach-Erfolg verärgerte seine Gegner, so dass in der Folge eine «Lex Duttweiler» beschlossen wurde, mit welcher Mehrfachkandidaturen verboten wurden.
Frauen, Arme und Verbrecher ausgeschlossen
Heute gilt Wahlrecht im Grundsatz für alle Schweizer Bürger ab 18, sofern sie nicht an einer Geisteskrankheit oder -schwäche leiden.
Lange galten aber zahlreiche weitere Ausschlussgründe, die in erster Linie Randgruppen betrafen. So durften etwa Armengenössige, Steuerschuldner, Konkursite oder Verurteilte lange nicht wählen. Und die Frauen mussten bis 1971 aufs Wahlrecht warten.
Zum Teil gab es auch kantonale Sonderregelungen. In verschiedenen Kantonen waren etwa Leute mit Wirtshausverbot nicht wahlberechtigt. In Neuenburg und Genf waren Söldner ausgeschlossen und im Tessin Wahlbetrüger. Oder in Freiburg jene, die den Eid auf die neue Bundesverfassung nicht leisten wollten.
Vor allem der Ausschluss der Bedürftigen lief auf eine Benachteiligung der Sozialdemokraten hinaus, das sich ein grosses Wahlpotenzial für die SP unter den Armen befand.
Temporär-Parteien unter der Bundeskuppel
Seit der Einführung der Proporzwahl herrscht im Nationalrat ein reges Kommen und Gehen verschiedenster Parteien. Einige sind wieder von der Bildfläche verschwunden – zumindest im Bundeshaus.
Zum Beispiel der Landesring der Unabhängigen (LdU), der sich immerhin von 1935 bis 2003 im Parlament halten konnte. Die Auto- bzw. Freiheitspartei war nur von 1987 bis 1999 präsent. Am äusseren Rechten Rand politisierten einst die Frontenbewegung, die Republikaner oder die Schweizer Demokraten unter der Bundeshauskuppel, am linken Rand die Poch oder die Kommunistische Partei.
Die heutigen Kleinparteien GLP und BDP oder das Mouvement Citoyens Genevois gehören zu jenen Gruppierungen, denen dereinst ein ähnliches Schicksal drohen könnte.
Nationalratswahl als «Volkswahl des Bundesrats»
In den ersten Jahrzehnten galt für Bundesräte als ungeschriebenes Gesetz, dass sie zu den Nationalratswahlen antreten mussten, um so ihre Popularität zu testen.
Misslang die sogenannte «Komplimentswahl», mussten sie Bundesrat verlassen. Erstes Opfer war 1854 der Berner Ulrich Ochsenbein, dem die Bundesversammlung die Wiederwahl versagte.