2023 sind ein einjähriges und ein dreijähriges Kind durch körperliche Misshandlung gestorben. Insgesamt behandelten die 19 meldenden Kinderkliniken 2097 Kinder wegen vermuteter Misshandlungen. Das ist eine Zunahme von elf Prozent gegenüber 2022.
Der Anstieg ist überwiegend auf die Zunahme von Meldungen über psychische Misshandlungen durch Miterleben häuslicher Gewalt zurückzuführen, wie die Fachgruppe Kinderschutz der Schweizer Kinderkliniken am Montag mitteilte. Diese Meldungen stiegen um 64 Prozent. Von den gesamten gemeldeten Fällen betrafen 552 körperliche Misshandlungen. Psychischen Misshandlungen mussten 665 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre über sich ergehen lassen, 588 wurden vernachlässigt. 271 Kinder wurden Opfer sexuellen Missbrauchs. Das Münchhausen Stellvertreter Syndrom registrierten die Kliniken 20 Mal.
Mädchen und Buben gleichermassen betroffen
Zwar gab es in allen Kategorien der Misshandlungen eine Steigerung. Ausser bei den psychischen Misshandlungen war sie aber nicht signifikant. Über alle Fälle erreichte die Sicherheit der Diagnose 64 Prozent. Am höchsten war sie mit 81 Prozent bei der psychischen Gewalt. Und die sicherste Diagnose hierbei war das Miterleben häuslicher Gewalt, weil entsprechende Polizeirapporte vorlagen.
Die Geschlechterverteilung der Opfer war mit rund 49 Prozent Knaben und rund 50 Prozent Mädchen ausgeglichen. Mit 60 Prozent waren Knaben häufiger körperlicher Misshandlung ausgesetzt, während Mädchen mit 79 Prozent den Grossteil der Opfer sexueller Gewalt bildeten. Bei den anderen Misshandlungsformen waren beide Geschlechter etwa gleich betroffen.
Prävention unabdingbar
Auf das Alter verteilt waren 18 Prozent der bis einjährigen Kinder Opfer von Misshandlungen, zwischen null und vier Jahren 35,5 Prozent und bis sechs Jahren 45,1 Prozent. Dieses Ergebnis zeigt sich bei der seit 15 Jahren laufenden Erhebung jedes Mal. Die Fachgruppe unterstrich deshalb die Wichtigkeit von Massnahmen zur Früherkennung und Prävention im frühkindlichen Kinderschutz.
Psychische oder physische Gewalt gegen Kinder war mit 77,6 Prozent der Fälle im Familienkreis am häufigsten. 13,3 Prozent der Täterschaft stammte aus dem Bekanntenkreis. In 3,7 Prozent waren es Fremdtäter und in 5,3 Prozent war die Täterschaft unbekannt. Am höchsten war der Familienanteil mit 96,1 Prozent bei der Vernachlässigung, gefolgt von der psychischen Misshandlung mit 94,7 und der körperlichen mit 56,2 Prozent. Das Münchhausen Stellvertreter Syndrom trat ausschliesslich in der Familie auf.
In 25 Prozent der Fälle akut eingegriffen
Männer stellen mit 42,2 Prozent den grössten Teil der Täterschaft. Bei 30,6 Prozent der Misshandlungen waren Frauen und Männer beteiligt, bei 20,6 Frauen allein. Beim Rest war die Täterschaft unbekannt oder es fehlten Angaben. Unverändert waren Männer bei körperlichen Misshandlungen die häufigsten Urheber. Verantwortlich waren sie auch für den Grossteil sexueller Misshandlungen. Bei psychischer Misshandlung stellten sie die Hälfte der Täterschaft.
Vernachlässigung liess sich häufiger Männern und Frauen gemeinsam oder Frauen allein zuschreiben. Vom Alter her waren in einem Viertel der Fälle sexueller und körperlicher Gewalt an Kindern Minderjährige verantwortlich.
Trotz der hohen Zahl der Fälle war nur in 25 Prozent ein akut-medizinisches Eingreifen nötig, wie die Kinderschutzgruppe weiter mitteilte. Wie im Vorjahr starben aber zwei Kleinkinder im ersten und dritten Lebensjahr. 2022 waren es zwei Säuglinge gewesen. Die Fachgruppe Kinderschutz gehört zu Pädiatrie Schweiz, der Organisation der Kinder- und Jugendmedizin. (SDA)