Auf einen Blick
- Stimmvolk stimmt im November über einheitliche Gesundheitsfinanzierung ab
- Die Reform zielt auf bessere Koordination und weniger Spitalaufenthalte
- Befürworter argumentieren, die Vorlage beseitige falsche Anreize. Gegner befürchten noch höhere Prämien
Am 24. November entscheidet das Stimmvolk über die nächste grosse Gesundheitsreform: die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen, abgekürzt Efas. Blick erklärt die Vorlage im Detail.
So ist die Ausgangslage
Gesundheitsleistungen, die von der Grundversicherung abgedeckt sind, werden derzeit je nach Ort der Behandlung unterschiedlich finanziert. Für stationäre Behandlungen im Spital, bei denen Patientinnen und Patienten über Nacht bleiben, zahlen die Kantone 55 Prozent und die Krankenkassen 45 Prozent.
Ambulante Behandlungen, bei denen Patienten am selben Tag nach Hause gehen, werden komplett von der Krankenkasse bezahlt. In der Langzeitpflege, etwa in einem Pflegeheim, teilen sich Patienten und Krankenkassen einen festen Betrag. Der Rest wird (je nach Kanton) von den Kantonen oder der Wohngemeinde übernommen.
Warum braucht es die Reform?
Die Anzahl ambulanter Behandlungen nimmt seit Jahren zu. Das erhöht die Kosten für Krankenkassen und Prämienzahlende. Auch die Gesamtkosten im Gesundheitswesen steigen, unter anderem wegen medizinischer Fortschritte und der alternden Bevölkerung. Gleichzeitig werden die Krankenkassenprämien jedes Jahr teurer.
Was soll sich konkret ändern?
Die im Dezember 2023 vom Parlament nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedete Efas-Vorlage will die Finanzierung aller Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Die Kantone sollen neu – nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt der Patienten – für mindestens 26,9 Prozent und die Kassen über die Prämien für höchstens für 73,1 Prozent der Kosten aufkommen. Und zwar unabhängig davon, ob die Leistung ambulant erbracht wird oder stationär. Umgesetzt werden soll die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Behandlungen ab 2028, in der Langzeitpflege ab 2032.
Die Integration der Langzeitpflege in die Vorlage war im Parlament umstritten. Nun steht fest, dass Versicherte weiterhin einen spezifischen Beitrag für Leistungen der Langzeitpflege zahlen müssen, den der Bundesrat festsetzt. Die Kosten für die Patienten dürfen aber in den ersten Jahren nach der Umstellung nicht höher sein als heute. Pflegeeinrichtungen und Krankenversicherer vereinbaren gemeinsam Tarife.
Die Kantone bekommen mehr Einfluss, weil sie nun alle Gesundheitsleistungen mitfinanzieren. Sie können in den Tarifverhandlungen mitreden und zusätzlich nicht nur die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten, sondern auch von anderen Anbietern im ambulanten Bereich steuern.
Wie viel lässt sich mit der Reform sparen?
Das Sparpotenzial der Reform kann nur ungefähr geschätzt werden. Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) geht davon aus, dass sich bis zu 440 Millionen Franken pro Jahr einsparen lassen. Wie viel es genau sein wird und wie schnell das umgesetzt werden kann, hänge vom Verhalten der Beteiligten ab, schreibt das BAG.
Was sind die Argumente der Befürworter?
Bundesrat und Parlament unterstützen die Vorlage. Die Ja-Parole haben bisher GLP, EVP und Mitte-Partei ergriffen. Letztere hat die Reform angestossen, mit einem 2009 von der damaligen Nationalrätin Ruth Humbel (67) eingereichten Vorstoss. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass die Vorlage Fehlanreize beseitigt. Zum Beispiel, dass weniger Menschen stationär ins Spital eintreten müssen oder alte Menschen später in ein Pflegeheim ziehen.
Aus Sicht der Krankenkassen sind Spitalaufenthalte heute attraktiv, weil die Kantone einen Teil der Kosten übernehmen. Zudem erwartet die Befürworterseite eine bessere Koordination der Versorgung, vor allem von chronisch kranken Menschen. Der Bund rechnet damit, dass das dazu führt, dass die Prämien mit dem neuen System deutlich sinken.
Wie argumentieren die Gegner?
Gegen die Efas-Vorlage hat die Gewerkschaft VPOD das Referendum ergriffen, unterstützt von weiteren Gewerkschaften wie der Unia sowie der SP. Auch die SVP könnte ins Nein-Lager kippen. Im Parlament hat die Mehrheit der Fraktion die Vorlage noch unterstützt. Nun beantragt die Parteileitung der Delegiertenversammlung einstimmig die Nein-Parole. Die Grünen haben Stimmfreigabe beschlossen.
Die Gegner kritisieren, dass die Reform negative Folgen für Pflegepersonal und Patienten hätte. Zudem befürchten sie, dass die Krankenkassen mehr Macht bekommen und die Gesundheitsversorgung stärker kontrollieren würden.
Anders als die Befürworter glauben sie, dass die Krankenkassenprämien nicht sinken, sondern weiter steigen könnten – insbesondere durch die Einbeziehung der Langzeitpflege, da deren Kosten wegen der alternden Bevölkerung stark ansteigen. Und sie befürchten, dass die Kantone ihre Verantwortung für Pflegeheime und Spitex aufgeben könnten, was privaten, gewinnorientierten Anbietern zugutekäme.