Konkret geht es ums zweite Paket mit Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Ein aufgesplittetes erstes Paket hat das Parlament bereits verabschiedet. Mehrere Punkte sind bereits in Kraft. Mit dem aktuellen Paket will der Bundesrat weiteres Einsparpotenzial im Gesundheitswesen nutzen - ohne dieses genau beziffern zu können.
Beispielsweise schlägt der Bundesrat Massnahmen vor, um unnötige Behandlungen zu reduzieren. Dazu sollen Netzwerke zur koordinierten Versorgung etabliert werden. Apotheken sollen mehr Kompetenzen erhalten, um teurere Leistungen durch Ärztinnen und Ärzten zu verhindern. Auch vertrauliche Preismodelle stellt der Bundesrat zur Diskussion.
Der Nationalrat trat am Donnerstag oppositionslos auf die Vorlage ein. Zwei Tage nach dem erneuten Prämienschock waren sich alle einig, dass es neue Rezepte gegen die stetig steigenden Kosten im Gesundheitswesen braucht.
Mit dem Massnahmenpaket des Bundesrats war jedoch niemand restlos zufrieden - obwohl dieses Aufträge des Parlaments und einer breit abgestützten Expertengruppe umsetzen soll. Ein «Denkhalt», wie ihn die Grünen forderten, war für den Nationalrat keine Option. Stattdessen brachte die grosse Kammer verschiedene Änderungen am Entwurf des Bundesrats an. Der Rat folgte dabei fast durchgehend seiner vorberatenden Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N).
Die wichtigste Änderung betrifft die koordinierte Versorgung. Zwar ist der Nationalrat mit dem Bundesrat einig, dass diese stärker gefördert werden soll. Er lehnte es mit 117 zu 67 Stimmen bei 7 Enthaltungen jedoch ab, Netzwerke neu als Leistungserbringer anzuerkennen. Stattdessen will er die bestehenden Regelungen anpassen und so eine bessere Koordination ermöglichen.
Namentlich soll den Krankenversicherern erlaubt werden, die Daten ihrer Versicherten zu nutzen, um diese individuell über mögliche Einsparungen oder passendere Versorgungsmodelle zu informieren. Mit zwei Motionen will die Kommission zudem alternative Versicherungsmodelle langfristig attraktiver machen, indem Mehrjahresverträge ermöglicht und Prämienrabatte anders berechnet werden sollen.
Der Nationalrat sprach sich ausserdem im Grundsatz für vertrauliche Preismodelle für hochpreisige Medikamente aus - jedoch nur unter der Vorgabe, dass eine unabhängige Stelle öffentlich über die Umsetzung der vertraulichen Preismodelle Bericht erstatten soll. Dies soll ermöglichen, die Anzahl dieser Preismodelle und deren Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen, während einzelne Rückerstattungen vertraulich bleiben können.
Apothekerinnen und Apotheker sollen zudem neu mehr Leistungen zugunsten der Krankenversicherung abrechnen können. Der Nationalrat sah aber davon ab, die Kosten für neue Leistungen mit einer Reduktion bei der Vergütung der Arzneimittelabgabe zu kompensieren. Abklärungen von der Verwaltung hätten ergeben, dass ein solches Anliegen schwer umsetzbar sei.
Das Paket beinhaltet auch Massnahmen, die keine direkte Kostensenkung zur Folge haben werden. So beschloss der Nationalrat, dass neu ab Beginn der Schwangerschaft keine Kostenbeteiligung zu erheben ist. Aktuell sind Leistungen erst ab der 13. Schwangerschaftswoche von der Kostenbeteiligung befreit.
Weiter sollen die bereits heute von Hebammen durchgeführten Analysen bei der Mutter gesetzlich klar definiert werden. Während der Schwangerschaft, der Niederkunft und im Wochenbett sollen die Hebammen ebenso unter gewissen Voraussetzungen Medikamente ohne ärztliche Anordnung anwenden können.
Auch will die Kommission die digitale Versichertenkarte mit der physischen Karte gleichsetzen und so die Digitalisierung fördern. Damit Rechnungen nachvollziehbar sind, soll zudem die Dauer der Konsultation darauf ausgewiesen werden.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat das Massnahmenpaket mit 131 zu 28 Stimmen bei 32 Enthaltungen an. Die Vorlage und die drei damit zusammenhängenden Motionen gehen nun an den Ständerat.
Bundespräsident und Gesundheitsminister Alain Berset hielt zum wiederholten Mal fest, dass der Bundesrat alle Massnahmen in seinem Kompetenzbereich ausgereizt habe. Über weitere Massnahmen müsse nun das Parlament entscheiden.
«Immerhin herrscht Konsens darüber, dass etwas getan werden muss», sagte Berset. Dass die vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Preismodelle und koordinierten Netzwerke in der Nationalratskommission auf wenig Gegenliebe gestossen seien, zeige jedoch das Problem. Jedem kostendämpfenden Vorschlag des Bundesrats ziehe das Parlament die Zähne.
(SDA)