Geplante Demo gegen die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative
Die SVP kriegt weiche Knie

In 14 Tagen ist in Bern eine Versammlung gegen die Umsetzung der SVP-Masseneinwanderungs-Initiative geplant. Die Partei distanziert sich – und versucht sogar, die Kundgebung zu verhindern.
Publiziert: 05.03.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:43 Uhr
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Die SVP distanziert sich von der Kundgebung und versuchte sogar, die Organisatoren zu einer Absage zu bewegen.
Foto: Illustration: Igor Kravarik
Simon Marti und Marcel Odermatt

Bern steht vor einem heissen Frühlingsanfang. Im Zuge der Räumung eines besetzten Hauses brach eine Strassenschlacht zwischen Polizisten und Chaoten aus; zehn Beamte wurden verletzt. Einmal mehr diskutieren Bern und die Schweiz über das autonome Kulturzentrum Reitschule (Seite 16 und 17).

Und Mitte Monat droht bei der Kundgebung «Wir sind Direkte Demokratie» in der Bundesstadt eine neuerliche Konfrontation: Ein eng mit der SVP verbandeltes Komitee will am 18. März vor dem Bundeshaus gegen die aus seiner Sicht lasche Umsetzung von Volksentscheiden demonstrieren. Linksautonome Kreise rufen bereits zur Gegendemonstration auf. Entsprechend gross sind die Sicherheitsvorkehrungen.

Organisatoren rechnen mit mehreren Tausend Teilnehmern

Die Kundgebung ist bewilligt, das Anliegen der Veranstalter von rechts ist simpel: ihre Empörung über den Umgang des Parlaments mit der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) zum Ausdruck zu bringen: «Unser Budget beträgt mehrere Zehntausend Franken. Die meisten Spenden stammen von Privatpersonen, aber auch Firmen haben uns Geld geschickt», sagt Mitorganisator und SVP-Nachwuchspolitiker Nils Fiechter (20). Er rechnet mit mehreren Tausend Teilnehmern.

Naheliegend wäre, dass die SVP die Kundgebung unterstützt. Unter anderem war es der St. Galler Lukas Reimann (34), Auns-Präsident und SVP-Nationalrat, der die Idee schweizweit propagierte (SonntagsBlick berichtete). Inzwischen aber hat die Parteispitze offenbar kalte Füsse bekommen: Sie distanziert sich von der Kundgebung und versuchte sogar, die Organisatoren zu einer Absage zu bewegen.

Sachschäden, gar Verletzte: Ein Horrorszenario für die SVP

«Ich habe keinen Kontakt zu den Organisatoren. Aber die schweizerische Parteileitung hat ihnen nahegelegt, die Veranstaltung nicht durchzuführen», sagt SVP-Nationalrat Werner Salzmann (54). «Natürlich schwingt auch die Angst mit, dass die Partei fälschlicherweise für allfällige Ausschreitungen verantwortlich gemacht wird.» Sachschäden oder gar Verletzte am Rande einer Demo gegen die Umsetzung der MEI – für die Volkspartei wäre das ein Horrorszenario.

Als Präsident der Berner Kantonalsektion kennt Salzmann die Lage in der Bundesstadt zur Genüge – und wird nicht an der Kundgebung teilnehmen. Genauso wenig wie die Mehrheit der Bundeshausfraktion.

Nationalrat Franz Grüter (53, LU) hat dem Organisationskomitee zwar «etwas über tausend Franken» zur Verfügung gestellt, betont aber, er könne aus terminlichen Gründe nicht teilnehmen. «So wie die Lage heute aussieht, droht aus der geplanten Demo ein Schlachtfeld zu werden», sagt er. Das sei bedauerlich, da die Organisatoren doch eine friedliche Demonstration für die direkte Demokratie im Sinn hätten, so der Luzerner.

Auch Parteipräsident Albert Rösti wird passen

Parteipräsident Albert Rösti (49) wird am 18. März ebenfalls nicht auf dem Bundesplatz sein – trotz vollem Verständnis für den Unmut der Basis, wie er erklärt. Die SVP müsse jedoch mit politischen Forderungen reagieren: «Alles, was ich im Moment zur Demo sagen kann ist: Die SVP ist weder Organisatorin noch unterstützt sie die Veranstaltung finanziell!»

Trotz der Bedenken der SVP-Spitze, ungeachtet aller Versuche zur Einflussnahme, will das OK von einer Absage nichts wissen. Organisator Fiechter hält fest: «Es ist keine SVP-Veranstaltung. Wir sind überparteilich.» Er räumt aber ein: «Natürlich gibt es in der SVP Leute, die sich Sorgen machen. Die Drohungen gegen uns geben ihnen ja auch recht.» Sollte die Sicherheit laut Polizei nicht mehr gewährleistet sein, werde die Kundgebung abgeblasen. «Momentan ist dies allerdings ausdrücklich nicht der Fall.»

Beschimpfungen in den sozialen Medien

Der Jungpolitiker sieht sich inzwischen mit massiven persönlichen Anfeindungen konfrontiert. Auf Posts in den sozialen Medien wird Fiechter als Rassist und Sexist beschimpft – kombiniert mit seiner Handynummer und der Aufforderung, ihm persönlich die Meinung zu sagen. Nun will der Nachwuchspolitiker Anzeige gegen unbekannt erstatten.

Bern, so viel ist sicher, kommt so schnell nicht zur Ruhe.

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