Genfer Sicherheitsdirektor fordert nationale Radikalen-Hotline
Maudets Kampf gegen den Dschihad

Der Kanton Genf macht mit einer Telefon-Hotline gute Erfahrungen im Kampf gegen die Radikalisierung von Jugendlichen. Staatsrat Pierre Maudet fordert nun eine nationale Plattform für besorgte Angehörige.
Publiziert: 30.07.2017 um 16:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:55 Uhr
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«Der Bund agiert zu zurückhaltend», sagt der Genfer ­Sicherheitsdirektor Maudet.
Foto: Keystone
Simon Marti

Der selbst ernannte Islamische Staat (IS) im Nahen Osten steht unter Druck. Mit Mossul hat die irakische ­Armee jenen Ort erobert, an dem IS-Anführer al-Baghdadi 2014 sein «Kalifat» ausrief.

Der Niedergang der Terrormiliz nimmt radikalislamistischen Jugendlichen im Westen, die in ihrer Verblendung in den Dschihad ziehen möchten, das Ziel ihrer Sehnsucht. Gelöst ist das Problem ­damit indes noch lange nicht. Gemäss Angaben des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) sind in den letzten 16 Jahren 88 Schweizer in den Dschihad gezogen – 74 nach Syrien oder in den Irak.

Es radikalisieren sich immer noch Junge in der Schweiz

Und wie Zahlen von Telefon-Hotlines zeigen, bei denen zum Beispiel Angehörige ihren Verdacht melden können, radikalisieren sich noch immer junge Menschen in der Schweiz. Eine nationale Plattform haben die Beratungsstellen nicht, doch einzelne Städte haben solche in Eigenregie eingerichtet. Sie werden rege genutzt.

Etwa in der Stadt Bern: Seit 2015 gibt es dort das Angebot der sogenannten Fachstelle Radikalisierung. 2017 gingen bislang elf Meldungen ein. Die Fachstelle der Stadt Winterthur ZH führte bis Anfang 2017, in den ersten drei Monaten ihres Bestehens, 17 Beratungen durch.

Der Kanton Genf hat bei der Bekämpfung radikaler Islamisten schon durch seine Nähe zu Frankreich eine Sonderstellung. Entsprechend weit oben steht das Anliegen auf der Agenda des Sicherheitsdirektors Pierre Maudet (39, FDP). «Bei unserer Helpline gingen bis Ende Juni 21 Meldungen ein», sagt er. Hinzu kommen Kontakte bei anderen Plattformen.

Keine Sorge wegen falscher Anschuldigungen

Angst, dass auf diese Weise falsche Beschuldigungen erhoben werden, hat Maudet nicht. Im Gegenteil: Er hofft, dass noch viel mehr Genfer zum Hörer greifen. «Das sind keine Denunzianten», hält er fest. «Diese Leute machen sich echte Sorgen und haben Gründe für ihren Verdacht.» Die Bevölkerung solle noch aktiver auf die Behörden zugehen: «Wir brauchen ihre Hilfe.»

Während der Liberale das Engagement der Bevölkerung lobt, geht er mit der Anti-Terror-Strategie des Bundes ganz grundsätzlich ins Gericht: «Ich denke, dass der Bund bei der Bekämpfung des radikalen Islamismus zu zurückhaltend agiert», so der Staatsrat. «Ich verlange, dass Bern hier endlich aktiv wird. Eine schweizweite Plattform für Meldungen aus der Bevölkerung wäre ein wichtiger Schritt.»

Kantone stehen in der Pflicht

Nicht die Einrichtung einer solchen einheitlichen Nummer sei das Problem, so Maudet, sondern die Frage, ob auch jeder Kanton bereit sei, die nötigen Ressourcen bereitzustellen, um den durch einen Anruf gewonnen Hinweisen tatsächlich nachgehen zu können.

Auch bei den Ermittlungen im islamistischen Milieu seien die Bundesbehörden gefragt. Nur sie verfügten über die notwendigen Mittel.

Maudet fordert «mehr verdeckte Untersuchungen und eine intensivere Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten der Nachbarländer».

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