Das kam wirklich überraschend! Am Donnerstag empfing Donald Trump (72) den Schweizer Bundespräsidenten Ueli Maurer (68) im Weissen Haus. Statt auf gründ-liche Vorbereitung setzte der «Grösste Dealmaker» – einmal mehr – auf sein Talent als Hauruck-Diplomat. Und so flog Maurer in der Hoffnung nach Washington, wieder Bewegung in Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern zu bringen.
Trump hingegen wollte die Möglichkeiten ausloten, welche ihm die Guten Dienste der eidgenössischen Diplomatie bieten. Ihm läuft gerade die hausgemachte Iran-Krise aus dem Ruder – es droht ein offener Krieg. Und mit den meisten Alliierten hat er es sich verdorben. Der Schweizer Strohhalm ist einer der letzten, die Trump verblieben sind.
Umso dringender wäre jetzt sorgfältige Vorbereitung gewesen. So aber ging Maurers Sternstunde im Oval Office schon nach weniger als der Hälfte der geplanten 100 Minuten zu Ende – ohne grössere Ergebnisse.
Bolton drängt auf radikale Lösung
Das ist gefährlich. Denn Trump hat nicht nur alle direkten Gesprächskanäle mit Teheran unterbrochen. Inzwischen muss er sich auch gegen die Brandstifter in den eigenen Reihen wehren. Vor allem sein Nationaler Sicherheitsberater John Bolton (70) drängt auf eine radikale Lösung. Seit vielen Jahren schon plädiert der Republikaner mit dem markanten Schnauz dafür, das iranische Atomwaffenrisiko ein für alle Mal mit amerikanischen Bomben zu beseitigen. Bolton ist so gut wie jedes Mittel recht. Das macht ihn zum wohl gefährlichsten Einflüsterer seines aussenpolitisch unbedarften Präsidenten.
Als der Sicherheitsberater am Morgen des 29.April neben Aussenminister Mike Pompeo(55) und Verteidigungsminister Patrick Shanahan(56) auch die Spitzen der US-Auslandsgeheimdienste in einen abhörsicheren Raum in der CIA-Zentrale in Langley beorderte, fühlten sich daher viele in Washington an ein ähnliches Treffen im Januar 2003 erinnert. Auch da war es um die Feinabstimmung der amerikanischen Politik gegangen. Vor allem aber hatte John Bolton, damals im Aussenministerium für den Bereich Rüstungskontrolle zuständig, noch einmal (falsche) Beweise für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen vorgelegt. Wenige Wochen später begann die US-geführte Invasion des Irak – die Mutter aller heutigen Krisen im Nahen und Mittleren Osten.
US-Streitkräfte sehen keinen Anlass für «Radikalkur»
Vor drei Wochen nun ging es in Langley erneut um Massenvernichtungswaffen, diesmal um die Atombomben des Irans. Ein halbes Jahr zuvor hatte Trump auf Betreiben Boltons den 2015 mit Teheran geschlossenen Nuklearvertrag aufgekündigt. Sein wichtigstes Argument: Beim Abschluss des Vertrags war der Iran nur noch etwa ein Jahr von einer einsatzfähigen Nuklearwaffe entfernt. Zumindest in der Theorie wissen die iranischen Bombenbauer, wie man waffenfähiges Uran und miniaturisierte Atomsprengköpfe herstellt.
Dieses Szenario ist für Bolton inakzeptabel. Um die Irankrise eskalieren zu lassen, hat er Trump dazu überredet, zwei Flugzeugträgerverbände, ein Einsatzschiff der Marines und sogar B-52-Bomber in die Region zu verlegen. Jetzt brauchte es nur noch das richtige Narrativ, um die Öffentlichkeit auf den Bruch von Trumps wichtigstem Wahlkampfversprechen einzustimmen. Der hatte den Amerikanern als Kandidat versprochen, die verlustreichen und teuren Auslandseinsätze der US-Truppen zu beenden.
Doch selbst das Oberkommando der US-Streitkräfte sehen zurzeit keinen Anlass für Boltons «Radikalkur». Was nicht zuletzt daran liegt, dass Amerikas Strategen wissen, mit wem sie es im Fall eines Angriffs auf den Iran zu tun bekommen.
Soleimani gilt als Erfinder der Sondereinsätze
Auf den ersten Blick wirkt Qassem Soleimani (62) einfach nur sympathisch. Hätte er sein Glück in Hollywood gesucht, wäre dem Mann mit den freundlichen Augen und dem überwältigenden Lachen die Dauerrolle des fürsorglichen Öhis sicher gewesen.
Doch der Eindruck täuscht: Qassem Soleimani hat sich der Islamischen Revolution verschrieben. Seine Karriere in den Reihen der militärisch organisierten Revolutionswächter des Ayatollah-Regimes ist beispiellos. Der Generalmajor gilt als Erfinder der für Sondereinsätze im Ausland zuständigen Al-Quds-Brigaden.
Seit gut einem Vierteljahrhundert bekämpfen sie den Erzfeind Israel und bilden überall in der Region schlagkräftige schiitische Milizen aus. So auch im irakischen Bürgerkrieg, der nach dem Sturz von Saddam Hussein ausgebrochen war. Ohne die Brigaden wäre die schiitische Hisbollah im Libanon längst Geschichte, ohne sie hätten auch die Huthi-Rebellen im Jemen keine Chance. In Syrien wies Meisterstratege Soleimani der russischen Armee den Weg zur Rettung des Regimes von Bashar al-Assad. Ohne ihn hätte es wohl auch den Sieg über den sogenannten Islamischen Staat so schnell nicht gegeben.
Trumps Lage ist dramatisch
All diese Erfolge machen Qassem Soleimani zum direkten Gegenspieler von John Bolton. Und es ist kein Wunder, dass Bolton jeden Schachzug des gefährlichsten Iraners der Welt genaustens analysiert. Warum liess Soleimani Raketen auf Schiffen stationieren? Steckt er hinter der Sabotage von vier saudischen Öltankern vor Abu Dhabi? Wie kamen die Huthi-Rebellen an die iranischen Drohnen, mit denen sie dieser Tage eine saudische Pipeline angriffen?
Ende April, so berichtet ein Informant aus dem irakischen Geheimdienst, war der Kommandeur der Al-Quds-Brigaden persönlich nach Bagdad gekommen, um seine schiitischen Milizen für einen möglichen Angriff auf den Iran vorzubereiten. Kein Zweifel: Trumps Lage ist dramatisch. Eigentlich wollte er das Regime der Mullahs beenden. Nun muss der Sandkastenstratege die Hitzköpfe um Bolton ausbremsen.
Trump weiss, dass Generalmajor Soleimani bisher noch alle seine Drohungen eingelöst hat. Die Guten Dienste der Schweiz sind also gefragt wie nie.