Geheimprotokoll zu USR III zeigt
Wirtschaftsvertreter überschätzten sich masslos

Ein Sitzungsprotokoll der Befürworter der Unternehmenssteuerreform III zeigt, wie dreist diese versuchten, sogar Bundesratsentscheide zu beeinflussen. Economieuisse glaube, ihr Einfluss sein unbegrenzt, urteilt SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
Publiziert: 04.03.2017 um 15:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:45 Uhr
Heinz Karrer, Präsident Economiesuisse, rechts, verfolgt die Abstimmungsresultate im bürgerlichen Hauptquartier, am Sonntag, 12. Februar 2017 im Hotel Bellevue in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Foto: ANTHONY ANEX
Sermîn Faki

Es war eine Katastrophe mit Ansage: Die Befürworter der Unternehmenssteuerreform USR III wussten seit dem letzten Spätsommer, dass sie ihnen ein schwerer Kampf bevorstehen würde. Und doch hat vor allem Economiesuisse die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Das legt ein vertrauliches Sitzungsprotokoll des Kampagnen-Ausschusses nah, über das der «Tagesanzeiger» berichtet.

Widmer-Schlumpf an Bord holen

Demnach trafen sich Vertreter von Wirtschaftsverbänden im letzten September mit der FDP, um den Abstimmungskampf zu planen. Das Protokoll zeigt, dass sie sich durchaus bewusst waren, dass die Steuerausfälle ein «Killerargument» an der Urne seien, vor allem in Zeiten kantonaler Sparprogramme. Dem wollten die Befürworter entgegentreten: mit extra bestellten, massgeschneiderten Studien, dem Einspannen der Medien und gar mit dem Versuch, alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, «die Mutter der Vorlage», an Bord zu holen.

Vergeblich, wie sich zeigte. Statt mit Economieuisse zu segeln, entschied sich die ehemalige Finanzministerin, im BLICK gegen die Vorlage Position zu beziehen.

«Alles vorbereiten für eine Abstimmung am 12. Februar»

Heinz Karrer, Präsident Economiesuisse. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Foto: PETER KLAUNZER

Das Protokoll offenbart vor allem ein grenzenlos scheinendes Selbstbewusstsein der Verbände. Denn sie glaubten tatsächlich, den Abstimmungstermin zu ihren Gunsten beeinflussen zu können. Gemäss Papier sagte Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer, er wolle, «dass alles so vorbereitet wird, dass die Abstimmung am 12. Februar stattfinden kann».

Tatsächlich wurde die Abstimmung genau dann durchgeführt. Ob dieser Entscheid auf das Lobbying durch die Befürworter zurückgeht, lässt sich nicht nachweisen. Mehrere Insider aus der Bundesverwaltung sagen gegenüber BLICK jedoch, dass es solche Versuche auf Einflussnahme immer wieder gebe, und zwar von allen Seiten.

Einfluss auf Termine ist gering

Diese Versuche seien jedoch zum Scheitern verurteilt. Denn die Festlegung der Abstimmungstermine würden die für Lobbying eher unempfänglichen und formell denkenden Beamten der Bundeskanzlei vorspuren. Dabei werde vor allem darauf geachtet, dass Fristen eingehalten würden und nicht zu viele Vorlage auf einmal an die Urne kämen. Auch, dass ein Bundesrat mehrere Vorlagen gleichzeitig vertreten muss, soll vermieden werden.

Wie Bundesratssprecher André Simonazzi gegenüber dem «Tagesanzeiger» sagt, habe der Bundesrat die USR-III-Abstimmung auf den 12. Februar gelegt, «um die Vorlage rechtzeitig in Kraft zu setzen und damit Rechtssicherheit schaffen zu können». Sowieso sei der Bundesrat «in der Regel bemüht, eine Abstimmung schnell anzusetzen». Interessengruppen könnten ihre Wünsche anbringen, aber nicht mitbestimmen.

Nordmann: Economiesuisse hat sich verzockt

SP-Fraktionschef Roger Nordmann. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Foto: GAETAN BALLY

Diesen Eindruck hat auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann. «Gerade bei Referenden wie im Fall der USR III hat der Bundesrat in den letzten Jahren immer auf eine schnelle Abstimmung hingewirkt» , sagt der Waadtländer Nationalrat zu BLICK.

Nordmann findet das Protokoll dennoch interessant – aus zwei Gründen. Erstens, weil es zeige, dass die Befürworter der USR III schon früh wussten, dass die Vorlage schlecht war und darum kaum zu gewinnen sei. Und dass es Mahner gab, diese aber nicht erhört wurden.

Zweitens zeige das Protokoll die «masslose Selbstüberschätzung» von Economiesuisse, die glaube, ihr Einfluss sei unbegrenzt. «Doch da haben sie sich offensichtlich gründlich verzockt», ätzt Nordmann.

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