Was ist Vollgeld überhaupt?
Vollgeld ist Geld, das von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) stammt und staatlich garantiert ist. Darunter fallen bisher das Bargeld (Münzen, Noten) sowie Einlagen der Geschäftsbanken. Die Volksinitiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung bei der Nationalbank!» möchte, dass Banken künftig auch das Kundengeld auf Zahlungsverkehrskonten (wie Lohnkonten) als «Vollgeld» bei der SNB hinterlegen müssen.
Die Gelder auf Zahlungsverkehrskonten nennt man Buchgeld oder Sichteinlage, weil man es «auf Sicht» abziehen kann. Die Banken hätten keinen Zugriff mehr auf diese in Vollgeld umgewandelten Guthaben und könnten damit auch kein neues Buchgeld schaffen. Dies geschieht, wenn Banken bei einer Kreditvergabe einfach Geld bei ihren Kunden gutschreiben und somit neu schöpfen.
Ginge ein Geldinstitut in Zukunft pleite, wären alle Kundengelder auf Zahlungsverkehrskonten sicher, weil sie Vollgeld wären. Sogar dann, wenn alle Kunden panikartig ihre Einlagen zurückwollten, wie dies zum Beispiel beim Banken-Run im Fall der Spar + Leihkasse Thun 1991 der Fall war.
Was will die Vollgeld-Initiative?
Die Initianten wollen das Geld der Bankkunden besser vor Finanzkrisen schützen – zumindest das Geld auf den Zahlungsverkehrskonten (zum Beispiel Lohnkonten).
Mit Spargeldanlagen dürften die Banken weiterhin arbeiten, also zum Beispiel Gewinne durch Kreditvergaben machen.
Das Vollgeld soll die SNB in Umlauf bringen – schuldfrei, ohne Gegenleistung von Bund, Kantonen und Bevölkerung. Die SNB könnte weiterhin Devisen kaufen und Kredite an Banken vergeben.
Welche Vorteile versprechen sich die Initianten?
Die ungedeckte Geldschöpfung würde begrenzt, der Zahlungsverkehr wäre nicht mehr gefährdet durch zahlungsunfähige Banken. Ein weiterer Vorteil wäre, dass alle regelmässig von den Gewinnen der Geldschöpfung profitieren könnten. Die Staatsschulden könnten abgebaut werden.
Wer steckt dahinter?
Das moderne Vollgeld-Konzept hat 1998 der Deutsche Joseph Huber (70) erfunden, ein ehemaliger Wirtschaftsprofessor. Die Initiative in der Schweiz lancierte der private Verein Monetäre Modernisierung nach der weltweiten Finanzkrise 2008.
Weshalb sind fast alle dagegen?
Durch das Vollgeld sehen alle den Finanzsektor und die Bankkunden bedroht: Banken müssten mit weniger Geld wirtschaften und andere, wahrscheinlich teurere Finanzierungsquellen finden. Weil sie weniger verdienen würden, würden Kunden mehr Gebühren und höhere Kreditzinsen bezahlen.
Könnten die Banken nur noch wenige Kredite vergeben, wären Haushalte mit tiefem Einkommen benachteiligt. Denn Banker würden wohl finanziell besser abgesicherte Kunden bevorteilen, um ihre Risiken klein zu halten. Darunter litten auch Gewerbebetriebe und KMU.
Die Gegner erinnern daran, dass es auch andere Ursachen für Finanzkrisen gibt als plötzliche und massive Abzüge von Guthaben (Runs): etwa Übertreibungen am Aktienmarkt. Zudem wurden seit 2008 diverse neue Bankenvorschriften eingeführt, die Krisen verhindern sollen.
So ist die Geldschöpfung heute schon begrenzt durch rechtliche Vorgaben. Banken müssen mehr Eigenkapital und flüssige Mittel haben. Kunden, die eine Hypothek möchten, müssen mehr Eigenmittel einbringen. Einschränkend wirken auch die Zinspolitik der SNB und die Konjunktur.
Was wären die politischen Folgen bei einem Ja?
Die SNB soll mit dem Vollgeld öffentliche Ausgaben direkt finanzieren. Ein Geldregen! Man kann ihn aber auch als Problem ansehen, weil die SNB bei Kreditvergaben sehr viel Macht erhielte.
Die Nationalbank wäre nicht einfach die Gewinnerin: Sie müsste sich gegen politischen Druck stemmen, um unabhängig zu bleiben.
Für den Staat wäre es zudem schwieriger, Geldpolitik zu betreiben. Wenn es zum Beispiel eine Inflation gäbe, dann könnte die SNB nicht einfach die Geldmenge verkleinern. Bei einer Inflation wächst die Geldmenge stärker als die Menge aller hergestellter Güter, und man kann dann mit gleich viel Franken weniger Produkte und Dienstleistungen kaufen. Weil die SNB die Geldmenge nicht zurückfahren könnte, kämen die Stabilität der Preise und die Wirtschaftsentwicklung unter Druck.
Was wären die wirtschaftlichen Folgen bei einem Ja?
Befürchtet werden Verunsicherungen: Bei Banken und im Finanzsektor, aber auch bei Unternehmen, internationalen Investoren sowie bei Herr und Frau Schweizer. Halten sie an, drohen Konsumrückgang, Währungsschwankungen und Wirtschaftskrisen.
Wäre mein Geld bei einer Bankenpleite sicherer?
Ja, denn aktuell sind bei einem Bankenkonkurs nur maximal 100'000 Franken pro Kunde und pro Bank gesichert. Neu wären auch mehr als 100'000 Franken auf Zahlungsverkehrskonten als Vollgeld abgesichert.
Profitiert mein Portemonnaie?
Wahrscheinlich nicht. Die Banken würden ihre Verluste über höhere Gebühren auf die Kunden abwälzen.
Zudem zahlten die Banken (hohe) Zinsen auf langfristige Anlagen, sodass bei der SNB gar nicht so viel Vollgeld eingelagert würde. Dadurch müsste diese, um die Banken mit Geld zu versorgen, ebenfalls Zinsen zahlen – Geld, das anderswo fehlen würde und wohl Gebühren für Vollgeldkonti nötig machte.
Gibt es das Vollgeld-Modell schon irgendwo auf der Welt?
Nein, noch kein Land hat es eingeführt. Finanzminister Ueli Maurer (67) sagte daher im Namen des Bundesrats am Dienstag vor den Medien: «Dieses Risiko wollen und können wir nicht tragen.» Diese Initiative schaffe zu viele Unsicherheiten.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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