Geht ein AKW-Betreiber pleite, blechen die Steuerzahler
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Billiger Strom:Das passiert, wenn ein AKW-Betreiber pleite geht

Geheim-Gutachten warnt vor Stromriesen-Pleite
Geht ein AKW-Betreiber pleite, blechen die Steuerzahler

Die tiefen Strompreise machen den Energieunternehmen das Leben schwer. Atomstrom zu produzieren, lohnt sich kaum mehr. Doch wer trägt die Kosten, wenn eine grosse Stromfirma pleitegeht? Wohl wir. Das zeigt ein Gutachten, das vor der Öffentlichkeit versteckt werden soll.
Publiziert: 02.06.2020 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2020 um 11:09 Uhr
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Fallen die grossen Energiefirmen wie Axpo und ...
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Das sollte die Öffentlichkeit nicht erfahren: Wenn einer der beiden Stromriesen Axpo oder Alpiq pleitegeht, droht ein Dominoeffekt. Ein Energieunternehmen nach dem anderen, das Partner eines AKW-Betreibers ist, könnte straucheln. Und damit besteht ein «hohes Risiko», dass der Bund – also der Steuerzahler – für die Atomkraftwerke zur Kasse gebeten wird.

Das zeigt ein Gutachten mit dem sperrigen Namen «Risikobeurteilung der Folgen einer allfälligen Insolvenz einer Kernkraftwerk-Betreiberin oder deren Eigentümer für den Stilllegungs- und den Entsorgungsfonds». BLICK hatte per Öffentlichkeitsgesetz Einblick in die Risikobeurteilung des Anwaltsbüros Wenger Plattner verlangt und vom eidgenössischen Datenschützer grünes Licht erhalten. Doch seither wehrt sich die Atomlobby vor Gericht gegen die Veröffentlichung. BLICK hat das brisante Papier auf anderem Weg bekommen.

Steuerzahler muss bluten

Eigentlich sollen die Eigentümer von Atomkraftwerken nach dem Abstellen für den Rückbau und die Entsorgung aufkommen. Dazu wurden die Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (Stenfo) geschaffen. In diese müssen die Energieunternehmen einzahlen. Reicht das Geld in den Fonds nicht, müssen die AKW-Firmen Geld nachschiessen. Erst wenn das nicht mehr möglich ist, haftet der Bund.

Laut Gutachten muss in der Praxis der Steuerzahler aber sehr rasch das Portemonnaie zücken. Und das kommt so: Zwar werden die ältesten Atomreaktoren, Beznau I und II, noch direkt von der Eigentümerin Axpo betrieben. Nicht aber Gösgen und Leibstadt. Letztere sind in Betreiberfirmen ausgegliedert. Die Rede ist in der Strombranche von «Partnerwerken». Sowohl bei der Leibstadt AG wie auch bei der Gösgen-Däniken AG sind neben Alpiq und Axpo noch andere Unternehmen beteiligt.

Kommt es zu einer Insolvenz eines Partners in einer AKW-Betreiberfirma, steht die «Haftung einer Muttergesellschaft nicht zur Diskussion», heisst es in der Risikobeurteilung. Es sei denn, eine solche würde sich aus den Verträgen zwischen den Partnern ergeben. Die Rechtsexperten zweifeln daran, dass sich die Partner bei Gösgen und Leibstadt tatsächlich verpflichtet haben, Geld nachzuschiessen.

Halten die tiefen Preise an ...

Sorgen bereitet ihnen vor allem der Fall, dass eines der Schwergewichte, also Axpo oder Alpiq, ausfällt. «In einem solchen Fall würde der nicht gedeckte Kostenanteil eines ausgeschiedenen Aktionärs die finanzielle Situation der verbleibenden Aktionäre zusätzlich belasten, was im Sinn eines ‹Dominoeffekts› deren Insolvenz bewirken könnte», steht in der Analyse. Das Risiko dafür sei «hoch».

Tatsächlich lassen die aktuell tiefen Strompreise nichts Gutes erahnen. Der Lockdown senkte die ohnehin schon tiefen Preise weiter. Wenn die Wirtschaft nur schleppend Fahrt aufnimmt, ist eine rasche Erholung kaum zu erwarten. Das bereitet den Stromproduzenten Sorge.

Auf Anfrage beschwichtigen Alpiq und Axpo, man werde von den sehr tiefen Preisen kurzfristig nicht mit voller Wucht getroffen, da die Unternehmen den grössten Teil der Produktion abgesichert hätten. Stromfirmen machen das, indem sie einen Anteil des Stroms zwei, drei Jahre im Voraus verkaufen.

... wird es eng

«Sollten die Preise länger als 18 Monate tief bleiben, müssten wir beginnen, unsere Produktion auf diesen tiefen Niveaus zu verkaufen», sagt aber ein Axpo-Sprecher. Es hängt also von der Dauer der Krise ab, wie die Energieunternehmen sie meistern können.

Und was sagen die beiden Unternehmen, dass Experten eine Kettenreaktion bei den Partnerwerken befürchten, sollten Alpiq oder Axpo ausfallen? Beide Unternehmen verweisen hier bloss auf die gesetzlichen Bestimmungen. Dabei machte Alpiq in der Vergangenheit schon mehrfach mit kreativen Lösungen von sich reden, um Probleme abzuwenden.

Ständerat nimmt sich der AKW an

Das Gutachten von Wenger Plattner stammt aus dem Jahr 2017. Es macht «Handlungsbedarf» aus, um die Risiken zu senken. Beispielsweise sollen die Aktionäre der Partnerwerke stärker in die Pflicht genommen werden. Doch geschehen ist nichts. Das Papier liegt im Stenfo-Giftschrank.

Stattdessen unterstützt der Bund die AKW-Betreiber in ihrem Vorhaben, die Atomkraftwerke möglichst 60 Jahre lang am Netz zu lassen. Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller (35) hat vom Bundesrat Auskunft über den Langzeitbetrieb der Atomkraftwerke verlangt. Sein Vorstoss ist heute Thema im Ständerat.

So funktionieren die Fonds

Alle paar Jahre rechnet der Bund neu, wie teuer der Rückbau der fünf Schweizer Atomkraftwerke sein dürfte und wie hoch die Kosten für die Entsorgung der Nuklearabfälle wohl kommen. Die angenommenen Kosten werden danach auf die AKW-Unternehmen verteilt. Sie stehen in der Pflicht, die notwendigen Gelder über eine geschätzte Betriebsdauer von 50 Jahren in die dafür geschaffenen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds einzuzahlen.

2018 sagte der Bund für die Stilllegung 3,779 Milliarden Franken voraus und für die Entsorgung 20,802 Milliarden. Zusammen also 24,581 Milliarden. Per Ende 2019 waren 8,5 Milliarden Franken in den Fonds.

Das heisst nicht, dass noch über 16 Milliarden eingezahlt werden müssen. Zum einen werden von den Firmen laufende Kosten direkt bezahlt. Zum anderen wird das Geld im Fonds angelegt. Die beiden Fondsvermögen wachsen also nicht nur durch die jährlichen Zahlungen, sondern quasi auch von selbst an. Allerdings ist das – beispielsweise durch das Zinsumfeld oder Börsenkrisen – auch mit einem gewissen Risiko verbunden.

Erschwerend hinzu kommt, dass die späteren AKW-Kosten bei jeder Neuberechnung noch höher ausfallen. So müssen die beteiligten Unternehmen immer noch mehr einzahlen. (pt)

Alle paar Jahre rechnet der Bund neu, wie teuer der Rückbau der fünf Schweizer Atomkraftwerke sein dürfte und wie hoch die Kosten für die Entsorgung der Nuklearabfälle wohl kommen. Die angenommenen Kosten werden danach auf die AKW-Unternehmen verteilt. Sie stehen in der Pflicht, die notwendigen Gelder über eine geschätzte Betriebsdauer von 50 Jahren in die dafür geschaffenen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds einzuzahlen.

2018 sagte der Bund für die Stilllegung 3,779 Milliarden Franken voraus und für die Entsorgung 20,802 Milliarden. Zusammen also 24,581 Milliarden. Per Ende 2019 waren 8,5 Milliarden Franken in den Fonds.

Das heisst nicht, dass noch über 16 Milliarden eingezahlt werden müssen. Zum einen werden von den Firmen laufende Kosten direkt bezahlt. Zum anderen wird das Geld im Fonds angelegt. Die beiden Fondsvermögen wachsen also nicht nur durch die jährlichen Zahlungen, sondern quasi auch von selbst an. Allerdings ist das – beispielsweise durch das Zinsumfeld oder Börsenkrisen – auch mit einem gewissen Risiko verbunden.

Erschwerend hinzu kommt, dass die späteren AKW-Kosten bei jeder Neuberechnung noch höher ausfallen. So müssen die beteiligten Unternehmen immer noch mehr einzahlen. (pt)

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