Bei der Konzernverantwortungs-Initiative reiben National- und Ständerat die Köpfe aneinander. Die grosse Kammer pocht auf einen indirekten Gegenvorschlag. Hiesige Unternehmen sollen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland geradestehen müssen. Der Gegenvorschlag sieht dafür strengere Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln vor.
Der Ständerat wollte davon bisher nichts wissen. Doch nun stimmt die vorberatende Kommission einem Gegenentwurf zu – wenn auch nur knapp.
Noser beantragt Verschiebung
Das Geschäft ist für Donnerstag im Stöckli programmiert. Ob sich die Ständeräte dann aber tatsächlich über die Vorlage beugen, ist offen. Denn FDP-Ständerat Ruedi Noser (58, ZH) will das Geschäft von der Traktandenliste streichen. Das verlangt er über einen Ordnungsantrag. Damit soll die zuständige Rechtskommission die Gelegenheit erhalten, «das Geschäft im Lichte des angekündigten bundesrätlichen Vorschlags nochmals zu beraten», begründet Noser.
Tatsächlich hat FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) eine kleine Kehrtwende eingeleitet. Wollte der Bundesrat von einem Gegenvorschlag bisher nichts wissen, plädiert er nun für eine milde Variante. Unternehmen sollen zumindest zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit, die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes verpflichtet werden. Allerdings nur, wenn sie mehr als 500 Mitarbeitende zählen. Haftungsregeln lehnt der Bundesrat aber weiterhin ab. Die Lösung würde zudem geltendem EU-Recht entsprechen – aber viel weniger weit gehen als Regelungen etwa in Frankreich, Holland oder Grossbritannien.
Keller-Sutter wollte keine Verschiebung
«Damit erhält die Rechtskommission genügend Zeit, um eine echte Diskussion über den bundesrätlichen Vorschlag zu führen», so Noser. «Dieses Vorgehen hätte den grossen Vorteil, dass der Rat in Kenntnis der Vorschläge des Bundesrats entscheiden könnte.»
So will Keller-Sutter ihre Vorschläge in die Vernehmlassung geben, wobei auch die bisherigen Erfahrungen in der EU berücksichtigt werden könnten. «Wir nehmen das Thema ernst», betont Noser.
Auch in der Kommission wurde zuvor eine Sistierung diskutiert – und knapp verworfen. Ausgerechnet die FDP-Bundesrätin hatte sich gegen eine Verschiebung ausgesprochen. Es wäre interessant zu wissen, wie der Ständerat zum Gegenentwurf stehe, liess sich Keller-Sutter dem Vernehmen nach verlauten.
Initianten kritisieren Verzögerungstaktik
Die Initianten vermuten hinter der Verschiebung jedenfalls weit weniger hehre Motive. «Der Ordnungsantrag kommt einem neuen Winkelzug gleich», sagt der frühere Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty (74), Co-Präsident des Initiativkomitees. «In Tat und Wahrheit geht es darum, dass manche kalte Füsse bekommen haben und vor den Wahlen nicht Farbe bekennen wollen.»
Nach 19 Kommissionssitzungen und zwei Jahren Debatte orten die Initianten keinen weiteren Diskussionsbedarf. Marty sieht in Nosers Vorgehen Verzögerungstaktik. «Politisch ist klar, dass damit ein Kompromiss verhindert werden soll, was die Stimmberechtigten aber vor den Wahlen nicht erfahren sollen.»