Mit 183 zu 1 Stimmen und zwei Enthaltungen hiess der Nationalrat am Dienstag die revidierte Schweizerische Zivilprozessordnung gut. Zu reden gab vor allem eine Bestimmung zu superprovisorischen Verfügungen, um ungewünschte Medienberichte vorläufig zu verhindern.
Heute kann ein Gericht einen Medienbericht stoppen, wenn dieser für die gesuchstellende Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann. Dies darf aber nur angeordnet werden, wenn kein offensichtlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt und die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint. Der Bundesrat will im Artikel präzisieren, dass der fragliche Medienbericht einen besonders schweren Nachteil verursachen kann oder verursacht.
Kein Recht auf Sensationsgeschichten
Beide Räte strichen das Wort «besonders». Damit reicht neben den anderen Kriterien ein «schwerer Nachteil» als Rechtfertigung für das Anordnen einer vorsorglichen Massnahme. Der Nationalrat schloss sich dem Ständerat an. Es gehe um die Interessen der von den Berichten Betroffenen, argumentierten die Befürworter.
Die Medien wehren sich gegen den «Zensur-Artikel». «Die Änderung würde Tür und Tor öffnen für vorschnelles Stoppen missliebiger, kritischer Recherchen», so Andreas Zoller vom Verband Schweizer Medien kürzlich.
Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (Mitte) wehrte sich gegen den Vorwurf, die Kommission greife die Medienfreiheit an. Es gebe kein Recht, mit Sensationsgeschichten Existenzen zu zerstören, sagte Judith Bellaiche (GLP).
SP wollte Passus streichen
Rot-Grün hätte auf der Linie des Bundesrates bleiben wollen, unterlag aber mit 81 gegen 99 Stimmen. Raphaël Mahaim (Grüne) und Min Li Marti (SP) sprachen von einem Angriff auf die Medienfreiheit. Einen Antrag aus der SP, den umstrittenen Artikel aus der Vorlage herauszulösen, lehnte der Rat ebenfalls ab.
Der Nationalrat will mit einem Pikettdienst an Gerichten vorsorglichen Rechtsschutz ausserhalb der Bürozeiten gewährleisten. Dies soll namentlich für Persönlichkeitsverletzungen gelten, aber auch bei häuslicher Gewalt und Familienrecht.
Die Zivilprozessordnung ist seit Anfang 2011 in Kraft. Mit ihr wurden kantonale Bestimmungen landesweit vereinheitlicht. Ziel der Reform ist es, Privaten und Unternehmen den Zugang zu Gerichten zu erleichtern. Unter anderem wird dafür das Prozesskostenrecht angepasst. (SDA)