Wer die Krankenkassenprämien nicht zahlt, landet in den Kantonen Aargau, Luzern, St. Gallen, Tessin, Thurgau und Zug auf einer schwarzen Liste und darf nur im Notfall behandelt werden. Ein Eintrag auf der Liste erfolgt dann, wenn die versicherte Person eine Betreibung für Prämien oder Kostenbeteiligungen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begleicht.
Solche Listen säumiger Versicherter sind umstritten. In Graubünden, Solothurn und Schaffhausen wurde das Instrument bereits wieder abgeschafft. Der St. Galler Kantonsrat stimmte in erster Lesung ebenfalls für die Abschaffung der Liste. Der Aargauer Grosse Rat will die derzeit auf Eis gelegte Liste entschärfen.
Der Ständerat will den Kantonen aber weiterhin die Möglichkeit geben, solche Listen zu führen. Auf Antrag einer Mehrheit seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) stimmte er am Montag mit 22 zu 22 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten Alex Kuprecht (SVP/SZ) gegen die Abschaffung.
Eine Kommissionsmehrheit wollte es den Kantonen aus föderalistischen Überlegungen weiterhin ermöglichen, Listen von Versicherten zu führen, die ihre Prämien nicht bezahlen. Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG) und Jakob Stark (SVP/TG) brachen eine Lanze für die schwarzen Listen. Es brauche einen gewissen Einsatz, aber dann funktioniere es, wie das Beispiel ihres Kantons zeige.
Dort nehmen die Gemeinden im Rahmen eines Fallmanagements Kontakt mit Personen auf, die ihre Prämien nicht bezahlt haben. Dabei wird der Grund abgeklärt, und es werden Lösungen geprüft.
Der Ständerat präzisierte nun den Begriff der Notfallbehandlung. Demnach liegt eine solche vor, wenn die Behandlung nicht aufgeschoben werden kann. Dies ist der Fall, wenn die versicherte Person ohne sofortige Behandlung gesundheitlichen Schaden oder den Tod befürchten muss oder die Gesundheit anderer Personen gefährden kann. In solchen Fällen müssen auch säumige Prämienzahlende behandelt werden.
Eine Kommissionsminderheit wollte wie der Bundesrat an der Abschaffung festhalten. Er sei der Ansicht, dass solche Listen die medizinische Grundversorgung von Personen, die in bescheidenen Verhältnissen lebten, beeinträchtigen könnten, sagte Josef Dittli (FDP/UR). Viele der auf der Liste der säumigen Versicherten aufgeführten Personen seien effektiv zahlungsunfähig. Bei diesen Personen verfehle die Liste ihren Zweck, zur Bezahlung der Krankenkassenausstände zu animieren.
Ausserdem habe der Nutzen dieser schwarzen Listen nie nachgewiesen werden können, hielt Maya Graf (Grüne/BL) fest. Probleme gab es in einigen Kantonen etwa, weil einige der Krankenversicherer die Namen nicht weitermeldeten. In Gerichtsurteilen wurde eine zu enge Auslegung des Notfallbegriffs korrigiert. Deshalb stimmten in der Vernehmlassung beispielsweise 19 Kantone und die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) einer Abschaffung der schwarzen Liste zu.
Mir der umstrittenen Frage beschäftigt sich als nächstes der Nationalrat. Konsens herrschte im Ständerat darüber, dass Minderjährige nicht auf solchen schwarzen Listen geführt werden sollen. Seit Anfang 2021 hat kein Kanton mehr Minderjährige in die Listen aufgenommen.
Die weiteren Punkte der geänderten Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht waren weder in der Kommission noch im Rat umstritten. Wer die Prämie, die Franchise oder den Selbstbehalt trotz Betreibung nicht zahlt, soll künftig in einem Modell mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer versichert werden. Zudem soll die Zahl der Betreibungen auf zwei pro Jahr begrenzt werden.
Die Kantone, die dies möchten, sollen die Verlustscheine für neunzig Prozent der Forderung von den Versicherern übernehmen und selber bewirtschaften können. Die Versicherten wären dann wieder frei, die Krankenkasse und das Modell zu wechseln. Schliesslich sollen junge Erwachsene nicht mehr für die Prämien haften, die von ihren Eltern nicht bezahlt wurden, so lange sie minderjährig waren.
Ausgangspunkt der Gesetzgebungsarbeiten der SGK-S waren eine Standesinitiative des Kantons Thurgau und mehrere Motionen aus dem Nationalrat. Hintergrund sind die hohen Kosten für die Kantone. Diese mussten im Jahr 2018 mehr als 385 Millionen Franken übernehmen, ohne auf das Inkasso Einfluss nehmen zu können.
(SDA)