Macht das Sünneli im SVP-Logo bald einem Regenbogen Platz? Bei der Rechtspartei schmilzt der Widerstand gegen die «Ehe für alle». Beat Feurer (58), Präsident der Gay SVP, ist überzeugt: Die SVP hat eine «eigentliche Trendwende» geschafft, was die Position zur Homo-Ehe betrifft.
Der Sozial- und Sicherheitsdirektor der Stadt Biel hat die parteiinterne Gruppe, die sich für die Anliegen von Homosexuellen einsetzt, vor neun Jahren gegründet. «Seither hat sich die Haltung innerhalb der SVP zur ‹Ehe für alle› massiv geändert», stellt er fest.
Streit um Homo-Ehe im Parteiprogramm
Das zeigte sich an der Delegiertenversammlung der SVP vergangenen Monat in Gossau SG. Bei der Verabschiedung des Parteiprogramms, in der Regel eine Formalie, entbrannte eine hitzige Diskussion um das Thema Homo-Ehe. Die SVP wolle «keine absolute Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit der Ehe», heisst es auf der allerletzten Seite des 72-seitigen SVP-Programms. Ein Passus, der Feurer gar nicht passte und ihn deshalb zur Streichung vorschlug.
Der Antrag stiess auf überraschend grossen Support unter den Delegierten. Mehrere ergriffen unterstützend das Wort. Mit 166 zu 126 Stimmen bei zehn Enthaltungen wurde der Antrag schliesslich zwar abgelehnt. Für Feurer kommt das Resultat dennoch einem Durchbruch gleich. «Noch vor ein paar Jahren wäre so ein Resultat absolut undenkbar gewesen.»
Auch SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (49), der prominenteste Schwule in der Partei, sagt: «Das Abstimmungsergebnis ist ein starkes Signal und ein ermutigendes.» Eine Umfrage von Tamedia ergab 2017, dass bereits über die Hälfte der SVP-Wähler für die «Ehe für alle» ist. Dass ein erheblicher Teil der Delegierten für den Antrag stimmte, zeige nun, dass ein Meinungsumschwung schon bis weit oben in der Parteihierarchie stattgefunden habe, so Vogt.
Gay SVP will in die Offensive gehen
Die Gay SVP will das Momentum nutzen. Feurer kündigt an, noch dieses Jahr in die Offensive zu gehen. «Die Zeit in der SVP ist reif für ein klares Abrücken von bisherigen Positionen», sagt er. Genaues will und kann er noch nicht nennen. Man werde aber sicher prüfen, innerhalb der Partei auf lokaler, kantonaler und auch nationaler Ebene Vorstösse zu lancieren, mit dem Ziel, das Thema Gleichberechtigung für Homosexuelle in den Fokus zu rücken – und das Parteiprogramm zu ändern.
Damit legt sich die Gay SVP mit der Parteispitze an. Der Parteileitung sei die Diskussion an der Delegiertenversammlung «sichtlich unangenehm» gewesen, berichtet Feurer. Programmchef Peter Keller (47), überrumpelt von der entflammten Debatte, versuchte, den Ehe-Passus zu verteidigen. Es gehe nicht darum, jemanden zu diskriminieren, beteuerte er – aber es gebe nun mal Unterschiede.
Diese Meinung teilt ein Grossteil der SVP-Fraktion. Die «Ehe für alle» hat bei den SVP-Parlamentariern in Bern – im Gegensatz zur Basis – auch heute noch lange keine Mehrheit. Mit Thomas Hurter (55) oder Mauro Tuena (47) gibt es inzwischen allerdings bekannte Parteiexponenten, die sich für die Homo-Ehe aussprechen.
Kommission hirnt an Umsetzung
Parteichef Albert Rösti (51) indes will sich auf Anfrage von BLICK nicht zum Thema äussern – obwohl es brandaktuell ist. Die Rechtskommission des Nationalrats arbeitet derzeit auf Grundlage einer parlamentarischen Initiative einen Vorschlag aus, wie die «Ehe für alle» umgesetzt werden kann.
Am Donnerstag beugt sie sich erneut darüber. Die Pläne sind schon ziemlich konkret: Gehts nach der Kommission, soll nicht die Verfassung, sondern nur das Gesetz geändert werden – und zwar in mindestens zwei Etappen. Der erste Teil umfasst mit der Änderung des Zivilrechts das Herzstück der Vorlage, aber auch Adoption und Bürgerrecht sollen geregelt werden. Wie genau, muss die Rechtskommission nun entscheiden.
Es ist wohl Schicksal, dass mit Vogt, dem profiliertesten Juristen der Fraktion, für die SVP ausgerechnet einer der grössten Vorkämpfer der «Ehe für alle» an der Umsetzung feilt.