GAV laut Baumeister-Präsident schuld an Arbeitslosigkeit
Unia-Bauchef Nico Lutz schiesst zurück

Für Baumeisterpräsident Gian-Luca Lardi führt der Gesamtarbeitsvertrag im Bau zu mehr Arbeitslosigkeit. Denn ältere Bauarbeiter würden auch zu tieferen Löhnen arbeiten – dürften dies aber nicht. Nico Lutz, der den Sektor Bau bei der Unia leitet, sagt BLICK, warum er das verantwortungslos findet.
Publiziert: 04.12.2016 um 16:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:09 Uhr
«Totengräber der Personenfreizügigkeit»: Nico Lutz, Mitglied der Unia-Geschäftsleitung, kritisiert Baumeisterpräsident
Foto: Keystone
Matthias Halbeis

BLICK: Der Präsident der Baumeister, Gian-Luca Lardi, sagt der «NZZ am Sonntag», der Gesamtarbeitsvertrag auf dem Bau führe zu Arbeitslosigkeit. Er möchte arbeitslose Bauarbeiter auch zu tieferen Löhnen anstellen. Was sagen Sie?
Nico Lutz:
Diese Aussagen sind absolut verantwortungslos. Wenn Herr Lardi nicht mehr bereit ist, die höheren Schweizer Löhne vor den EU-Löhnen zu verteidigen, dann wird er zum Totengräber der Personenfreizügigkeit. Offenbar würde Herr Lardi lieber EU-Löhne zahlen. Wir haben in der Schweiz aber nicht nur hohe Löhne, sondern auch entsprechende Preise. Das Leben bei uns ist teurer als in den Nachbarländern, denken Sie an die Mieten oder Krankenkassenprämien. Darum ist die Position des Baumeisterverbandes schlicht verantwortungslos.

Der GAV auf dem Bau verhindert, dass ausländische Firmen mit Dumping-Löhnen in der Schweiz arbeiten können. Das hilft auch den Arbeitgebern. Warum jetzt der Angriff auf den GAV?
Wir sind in Lohnverhandlungen auf dem Bau. Der Baubranche geht es so gut wie nie. Trotzdem wollen die Baumeister im dritten aufeinanderfolgenden Jahr keine Lohnerhöhung gewähren. Dabei hat die Branche enorme Fortschritte bei der Produktivität gemacht: Immer weniger Bauleute bauen immer mehr. Das haben die Arbeiter möglich gemacht, darum haben sie eine Lohnerhöhung verdient. Aber es ist halt immer das Gleiche: Im Herbst jammern die Patrons. Und im Frühling erzählen sie dann stolz, dass es auf dem Bau gut läuft.

Baumeisterpräsident Lardi findet es offenbar ungerecht, wenn 55-jährige Bauleute gleiche Löhne erhalten wie 30-jährige. Was sagen Sie dazu?
Diese Diskussion finde ich nun wirklich unwürdig. Klar vermag ein 55-Jähriger vielleicht nicht mehr gleich viel zu schuften wie ein 30-Jähriger. Aber diese Leute haben auch schon 30 Jahre malocht – meist für den gleichen Betrieb. Dabei haben sie für ihren Boss auch ihre Gesundheit ruiniert. Diese Arbeiter sind aber erfahrene Berufsleute. Wenn der Baumeisterverband diesen jetzt noch Geld wegnehmen will, so ist das nicht akzeptabel. Zudem ist es auch in Sachen Bilaterale verantwortungslos.

Wie meinen Sie das?
Ausgerechnet in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren gab es die höchste Zustimmung zur Masseneinwanderungs-Initiative. Wenn also der Baumeisterverband die hohen Löhne in der Schweiz nicht verteidigen will und dazu noch ältere Mitarbeiter ausrangiert, so beruhigt er die Ängste dieser Leute nicht. Im Gegenteil: Die sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt und werden auch bei der nächsten Abstimmung gegen die Bilateralen stimmen. Damit über 55-Jährige nicht einfach durch jüngere Kollegen ersetzt werden, braucht es einen besseren Kündigungsschutz für diese Altersgruppe. Es kann nicht sein, dass man sie ausrangiert wie alte Arbeitstiere.

Weiter kritisiert Lardi, dass die Löhne für die Lehrabgänger zu hoch seien. Die Gewerkschaften stellten die Ideologie über die Realität, denn so erhalte eher ein Hilfsarbeiter den Job als ein junger Berufsmann.
Im gültigen GAV gibt es ja schon eine Regelung, die eine 15-prozentige Senkung der Löhne erlaubt, wenn es einem Lehrabgänger noch an Qualifikationen mangelt.

Trotzdem: Wenn Hilfsarbeiter statt Lehrabgänger die Jobs kriegen, läuft doch etwas falsch?
Wir haben auf dem Bau einen Fachkräftemangel. Darum begreife ich nicht, warum Lardi solchen Blödsinn erzählt. Wie soll man noch jemanden für den Maurerberuf begeistern, wenn er am Schluss nicht mehr verdient als ein Hilfsarbeiter? Wenn die Baumeister so weitermachen, finden sie am Schluss gar keine Lehrlinge mehr. Immerhin sind es ja die Patrons, die ständig jammern, die Lehrstellen blieben offen. Dagegen helfen nur gute Löhne für Ausgelernte.

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