Gastkommentar von WEF-Gründer Klaus Schwab zum EU-Rahmenvertrag
Weniger Streit, mehr Weitsicht

In der Auseinandersetzung ums Rahmenabkommen stehen die Streitpunkte so stark im Vordergrund, dass die EU vor allem als Feindbild wahrgenommen wird. Das schadet der Schweiz und verhindert jede zukunftsfähige Lösung. Ein Gastkommentar von WEF-Gründer Klaus Schwab.
Publiziert: 19.04.2021 um 06:51 Uhr
Klaus Schwab, Gründer und Geschäftsführer des World Economic Forum.
Foto: laif
Klaus Schwab

Es ist gut, dass am Freitag endlich ein Spitzentreffen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union stattfindet. Bei den Diskussionen sollten nicht die Streitpunkte im institutionellen Rahmenabkommen im Vordergrund stehen, sondern die grundsätzlichen und langfristigen Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa.

Die Schweiz ist nicht nur geografisch Mittelpunkt Europas, sondern sicherheitspolitisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell in Europa verankert. Es mutet daher tragisch an, wenn nun das langfristige Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union durch eine Situation belastet wird, in der sich die Schweiz in den letzten Jahren in ein Patt hineinmanövriert hat.

Die jetzt zur Verfügung stehenden Alternativen sind beide mit negativen Folgen verbunden. Entweder dem institutionellen Rahmenabkommen – eventuell sogar mit Nachbesserungen – zuzustimmen und dann bei einem Nein im Parlament oder bei einer Volksabstimmung nicht nur die Glaubwürdigkeit der Verhandlungspartner zu verlieren, sondern auch schwerwiegende negative Folgen für die Wirtschaft in Kauf nehmen zu müssen. Die Alternative ist, das Rahmenabkommen als gescheitert zu erkennen und dann in einem neuen langjährigen Verhandlungsmarathon mit der EU irgendwie eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden.

Auf den Gesamtnutzen schauen

Es ist klar, dass nach einem solchen Scheitern die EU nicht unbedingt ein einfacher Verhandlungspartner sein wird. Und dass die Wirtschaft sich auf eine lange Periode der Unsicherheit gefasst machen muss, was natürlich das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Schweiz untergräbt.

Was es jetzt braucht, ist Weitsicht. Dazu gehört vor allem, dass man den Gesamtnutzen einer Lösung im Auge behält und diesen auch immer wieder in den Vordergrund stellt. Durch die Betonung der negativen Seiten in den Diskussionen der letzten Wochen ist so etwas wie ein Feindbild der EU entstanden. Konfrontiert mit zwei Alternativen, die beide dem Gemeinwohl schaden werden, ist es wohl in der jetzigen verfahrenen Situation notwendig, die politische Bedeutung der Beziehungen der Schweiz mit der Europäischen Union zu betonen und den grundsätzlichen Willen zur Zusammenarbeit auf allen Gebieten zu bekräftigen – dies als Voraussetzung für eine umfassende vertragliche Lösung.

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