So schützt man sich richtig vor Zecken
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Hochsaison beginnt im Juni:So schützt man sich richtig vor Zecken

Ganze Schweiz wird zum Risikogebiet
Zeckengefahr an Ostern besonders hoch

Plötzlich gilt fast die ganze Schweiz als Zeckenrisikogebiet. Ob oberhalb von 1500 Meter Höhe oder im heimischen Garten – nirgends ist man mehr sicher.
Publiziert: 20.04.2019 um 13:11 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2019 um 16:06 Uhr
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Eine weibliche Zecke sucht auf der Haut einen geeigneten Ort, um zuzustechen.
Foto: imago/blickwinkel
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Es ist wieder Zeckenzeit. Über die Ostertage rechnet Werner Tischhauser (44) mit einer Zunahme der Meldungen von Zeckenstichen. «Nicht von Bissen», betont der im St. Galler Rheintal aufgewachsene Umweltingenieur der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Auf dem ZHAW-Campus Grüental in Wädenswil ZH wurde eine Handy-App entwickelt, mit welcher Zeckenstiche gemeldet und die Einstichstelle beobachtet werden können. Zeckenforscher Tischhauser erhält dank der App-Meldungen ein recht genaues Bild davon, wo in der Schweiz gerade besonders viele Zecken aktiv sind.

Zecken gleich beim Campus

Unweit des Campus Grüental führt Tischhauser BLICK zu einer Wiese am Waldrand. Bevor er diese betritt, zieht er seine Socken über die Hosen und sprüht sie mit Insektenschutzmittel ein. So verhindert der Forscher, dass Zecken auf seine Knöchel kriechen und ihn stechen. Dann schnappt er sich einen Stecken, an dem ein Stück Leintuch hängt. Mit dieser weissen Fahne streicht Tischhauser einige Male über die Wiese – und schon hängt eine Zecke am Leintuch. «Wenn es in den nächsten Tagen wärmer wird, sind auch die Zecken aktiver», warnt der Wissenschaftler.

Einige Meter weiter, in einem Waldstück, streicht er nochmals mit der Fahne über den Boden. «Ah, eine Nymphe», sagt er und deutet mit dem Zeigfinger auf einen schwarzen Punkt. So klein wie das erst etwa Millimeter grosse, achtbeinige Spinnentier sei, sehe man es auf der Kleidung oder dem Körper kaum. «Aber sie hat im letzten Jahr schon mal Blut gesaugt, konnte sich zur Nymphe entwickeln und wartet jetzt auf den nächsten Blutwirt», erklärt Tischhauser.

Mehr Zecken wegen der Klima-Erwärmung?

Inzwischen gilt fast die gesamte Schweiz als Zeckengefahrengebiet. Nur im Tessin und in Genf wird die Zeckenschutzimpfung gegen FSME-Hirnhautentzündung noch nicht empfohlen. Das liege an der Klima-Erwärmung, hört man immer wieder. Doch stimmt es?

«Es gibt Hinweise darauf, dass sich die anhaltend höheren Temperaturen für Zecken positiv auswirken. Es kann sein, dass sie sich rascher entwickeln und vermehren.» Wissenschaftlich gesichert sei das aber noch nicht, so Tischhauser. Vielleicht führe auch unser verändertes Freizeitverhalten dazu, dass wir mehr gestochen werden. Und die gesteigerte Angst vor Zeckenstichen dazu, dass es mehr Meldungen gibt.

Dennoch häufen sich die Hinweise, dass das wärmere Klima die kleinen Blutsauger begünstigt. «Früher galt: Oberhalb von 1500 Metern kommen keine Zecken vor. Heute stimmt das einfach nicht mehr. Beim bündnerischen Flims haben Wissenschaftler der Uni Zürich Zecken auf 1800 Metern nachgewiesen.»

Immer häufiger lauern die Zecken im Garten

Aber in einem anderen Gebiet verbreiten sich die Zecken: «Wir fördern die Biodiversität in unseren Gärten. Und freuen uns, wenn auch mal ein Igel vorbeischaut. Doch mit den Wirtstieren halten wohl auch die Zecken Einzug in unsere Vorgärten.» Zumindest liessen die Meldungen, dass rund 20 Prozent der Zeckenstiche bei der Gartenarbeit passiert sind, darauf schliessen, so Tischhauser.

Und auch FSME-Fälle wurden 2018 mit rund 380 Stück besonders häufig gemeldet. Im Jahr 2010 waren es noch keine 100 Fälle. Werden die Zecken immer gefährlicher? Werner Tischhauser bleibt vorsichtig: Die starke Zunahme 2018 im Vergleich zu den Vorjahren könne auch mit den idealen Wetterbedingungen für Freizeitaktivitäten zu tun haben.

Während etwa jede vierte Zecke Borreliose-Bakterien übertragen kann, ist FSME viel seltener. «Aber wer nicht geimpft ist, kann sich im Moment des Stichs mit den FSME-Viren anstecken. Die Folgen können schwerwiegend sein», so der Wissenschaftler. In seltenen Fällen kann die Infektion tödlich verlaufen.

Einstichstelle im Auge behalten

Gegen Borreliose hingegen kann man sich nicht impfen. Anders als bei FSME findet eine Infektion mit den Borreliose-Bakterien aber nicht sofort, sondern mit einer Verzögerung von rund 16 Stunden statt. Je schneller die Zecke entfernt wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass gar keine Infektion erfolgt. Dennoch rät Tischhauser, die Einstichstelle im Auge zu behalten, um Borreliose-Anzeichen während den ersten vier Wochen zu erkennen. Wenn sich ein rötlicher Ring um die Einstichstelle ausbreitet, sollte man den Arzt aufsuchen. Er kann die Borreliose mit Antibiotika behandeln. Die Zecken-App hilft dabei, sich nach Wochen noch daran zu erinnern, wo genau die Zecke zugestochen hat.

Damit es aber gar nicht erst zu einem Zeckenstich kommt, plädiert Tischhauser dafür, sich nicht nur mit geeigneter Kleidung und Zeckenschutzmitteln vor Stichen zu schützen. Sondern auch dafür, nach dem Waldspaziergang den ganzen Körper nach festgesaugten Zecken abzusuchen. «Vor allem aber gilt es, den Bodycheck bei den Kindern zu machen», so der Wissenschaftler.

Mit Freude zurück in die «Todeszone»

So schön der ZHAW-Campus Grüental mit Blick auf den Zürichsee gelegen ist, so sehr mag man sich ob all der Blutsauger wieder in urbanere Gefilde zurückziehen. Dorthin, wo es nur befestigte Strassen und Kieswege gibt, an denen diese Spinnentiere nicht anzutreffen seien. «Das sind eigentliche Todeszonen für Zecken», lautet die gute Nachricht am heutigen Tag für Spaziergänger und Jogger. Und noch eine gute Meldung gibt es: Die Gartenarbeit kann erst mal warten – viel zu gefährlich ohne Zeckenschutz.

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