«Gallati ist sehr glaubwürdig – kein ‹Höseler›»
Darum kams zum SVP-Widerstand im «Glarner-Land»

Die Aargauer SVP beschliesst als bisher einzige Kantonalpartei die Ja-Parole zum Covid-Gesetz. Die Schlappe hat Präsident Andreas Glarner ausgerechnet seinem einst engsten Parteifreund zu verdanken.
Publiziert: 28.10.2021 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2021 um 18:03 Uhr
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Kennen sich seit über 30 Jahren: Der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati und SVP-Kantonalpräsident Andreas Glarner.
Foto: Alex Spichale
Lea Hartmann

Als Parteipräsident Andreas Glarner (59) das Ergebnis der Abstimmung verliest, ist die Überraschung im Saal gross: Mit 48 zu 47 Stimmen beschliesst die SVP Aargau am Mittwochabend hauchdünn die Ja-Parole zum Covid-Gesetz.

Ein Zufallsmehr zwar, aber ein bemerkenswertes Resultat für eine Partei, die auf nationaler Ebene aus allen Rohren gegen das Covid-Zertifikat schiesst. Die SVP Aargau ist die erste Kantonalpartei, die von der Linie der Mutterpartei abweicht. Eine Watsche für den Aargauer Parteichef und Nationalrat Glarner, der sich an diesem Abend im «Ochsen» in Lupfig für die Nein-Parole starkgemacht hatte.

Zertifikatspflicht schuld?

Martina Bircher (37) sagt, sie habe die Niederlage kommen sehen. Die Aargauer Nationalrätin glaubt, dass die Zertifikatspflicht mit schuld am Ergebnis ist. «Einige hartgesottene SVP-Fans waren deshalb nicht anwesend.» Ihr Nein wäre den Gegnern auf sicher gewesen. Ausserdem, gibt Bircher zu bedenken, werde der Parteitag vor allem von älteren SVP-Mitgliedern besucht. Und die seien als Risikogruppe eher fürs Zertifikat.

Doch so richtig überzeugen mag diese Argumentation nicht. Selbst Glarner hält die Zertifikatspflicht nicht für entscheidend für das Ja. Auch bei der Delegiertenversammlung der Zürcher SVP kam nur rein, wer ein Zertifikat vorweisen konnte. Dennoch fassten die Delegierten sehr deutlich die Nein-Parole. Da vermochte auch Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44, SVP) nichts auszurichten.

Gallati war entscheidend

Anders im Aargau. SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (55) ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Grund, weshalb die Aargauer SVPlerinnen und SVPler beim Covid-Gesetz so gespalten sind. Der Gesundheitsdirektor hat am Parteitag im «Ochsen» die Gegenrede zum Parteipräsidenten Glarner gehalten. «Ein guter Teil hat sicher auch seinetwegen Ja gestimmt», glaubt Glarner. Auch der einstige Aargauer SVP-Chef Hans Ulrich Mathys (75) ist davon überzeugt. «Gallati ist sehr glaubwürdig – kein ‹Höseler›, wie Glarner ihn bezeichnet hat. Er ist ein guter Regierungsrat, der die Leute überzeugen kann.»

Gallati selbst sagt, das Ergebnis sei «ein deutliches Signal». «Die Aargauer SVP-Basis hat verstanden, dass uns dieses Gesetz taugliche Instrumente in die Hand gibt, um Restriktionen und Schliessungen zu verhindern.»

Einst Freunde, jetzt Gegner

Glarner gegen Gallati. In der Corona-Pandemie sind aus den engen Freunden, die sich seit über 30 Jahren kennen, politische Gegner geworden, die einander in aller Öffentlichkeit aufs Dach geben. Sie geniessen es. Die anderen in der Partei allerdings weniger, wie Blick weiss.

Bei den lokalen Wahlen vergangenen September schiffte die Aargauer SVP ab, woraufhin harsche Kritik an Parteipräsident Glarner aufkam. Der Hardliner sei ein Imageproblem für die Aargauer SVP, so die Kritik. Das knappe Ja zum Covid-Gesetz zeige, wie angeschlagen Glarners Vertrauen in der Partei ist, meint ein Mitglied.

Glarner selbst bestreitet, am Mittwoch als Verlierer nach Hause gefahren zu sein. «Ich bin zwar enttäuscht», sagt er. Doch eine Niederlage sei das knappe Ja für ihn nicht. «Ganz im Gegenteil: Es war eine tolle Debatte mit konstruktiven Voten.» An der flächendeckenden Nein-Kampagne der SVP Schweiz zum Covid-Gesetz werde sich damit wohl nichts ändern. Auch im Aargau nicht.

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