Er könnte den politischen Überraschungs-Coup des Jahres landen: Hans-Ulrich Bigler (57), seit acht Jahren Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV). Als er im Oktober das Referendum gegen das neue Radio- und TV-Gesetz (RTVG) ergriff, gaben ihm die wenigsten eine Chance.
Laut Umfragen steht die Abstimmung vom 14. Juni nun aber auf Messers Schneide. Ein Grund dafür ist die massive Kampagne des Gewerbeverbandes.
Doch Bigler überdreht – der gläubige Christ führt inzwischen eine Art Hassfeldzug gegen die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Sein Abstimmungskampf wird täglich aggressiver.
Diese Woche flutete er Millionen Schweizer Briefkästen mit einer radikal inszenierten Abstimmungszeitung. Schon auf der Titelseite fliesst Blut, als ginge es um Leben und Tod.
Die Botschaft: Sagt das Volk Ja zur geplanten Billag-Abgabe von 400 Franken pro Jahr und Haushalt, wird sich dies später böse rächen. Heute beträgt die Abgabe 462 Franken; wer kein Radio- oder TV-Gerät besitzt, kann sich davon befreien. Künftig soll jeder Haushalt zahlen müssen.
Mit seiner Brutalo-Kampagne hat Bigler einen Aufstand ausgelöst: Gewichtige Mitglieder des Gewerbeverbandes, Parteikollegen aus der FDP und sogar Mitstreiter im Abstimmungskampf gegen das neue Radio- und TV-Gesetz distanzieren sich.
Nationalrat Beat Flach (50, AG), der mit seiner Grünliberalen Partei ebenfalls gegen die Vorlage kämpft, findet die Propagandazeitung «furchtbar». Die Tonalität sei völlig daneben und kontraproduktiv. Es gebe genug sachliche Argumente gegen das neue Gesetz. «Der Gewerbeverband hat hier jede Contenance und jeden Anstand verloren», sagt Flach.
Bigler isoliert sich auch bei den Freisinnigen
Auch in seiner Partei stösst Bigler viele vor den Kopf. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (33, BE), selbst vehementer Gegner der neuen Billag-Gebühr, sagt: «Es gibt so viele gute Argumente gegen die neue Mediensteuer, da braucht es meiner Meinung nach nicht die grobe Kampagnenkeule, sondern eine feine Arbeit mit der Pinzette.»
Er habe Bigler persönlich aufgefordert, die Tonalität und die Inhalte deutlich sachlicher zu gestalten. «Leider ohne Erfolg», so der Vizepräsident der rechtsbürgerlichen Aktion Medienfreiheit. Wenig angetan von der Arbeit des Nationalratskandidaten für die Zürcher FDP ist auch Fraktionschefin Gabi Huber (59, UR). «Die Kampagne ist sicher überrissen», sagt sie.
Auch im Gewerbeverband regt sich Widerstand. Besonders deutlich bei Alois Gmür (60), Schwyzer CVP-Nationalrat und Mitglied der Gewerbekammer, des Verbandsparlaments. Er findet Biglers Kreuzzug «völlig daneben» und eine «Frechheit». Er unterstelle dem Bundesrat, das Schweizer Volk in eine Falle zu locken, die dann zuschnappt: «Eine Ungeheuerlichkeit!»
Gmür stellt in Frage, ob Bigler überhaupt noch der richtige Mann für den Job sein könne. Er will diese «jenseitige» Kampagne so rasch wie möglich in der Gewerbekammer thematisieren.
Der Bierbrauer fühlt sich vom Gewerbeverbandsdirektor sogar genötigt: «Wir Gewerbler werden von Bigler gezwungen, bei der unsäglichen Aktion mitzumachen.» Vor einiger Zeit habe er einen von Bigler unterschriebenen Brief erhalten – mit der Aufforderung, den Abstimmungskampf des Gewerbeverbandes gegen die Erbschaftssteuer und die neue Billag-Abgabe zu unterstützen.
«Ich wollte nur die Kampagne gegen die Erbschaftssteuer unterstützen. Das war aber nicht möglich», kritisiert Gmür. Man habe sich als Gewerbler nur gegen beides einsetzen dürfen – oder schweigen müssen. «Dabei macht Bigler nur Stimmung gegen die SRG. Der Kampf gegen die Erbschaftssteuer findet ja kaum statt.»
Ein offener Brief kritisiert Bigler scharf
Das Fass zum Überlaufen brachte die schätzungsweise eine Million Franken teure Abstimmungszeitung. Darin wird SRG-Generaldirektor Roger de Weck (61) als Dieb verunglimpft. In einem Comic klaut er einem dösenden TV-Zuschauer 1000 Franken aus dem Portemonnaie. Dazu grinst Medienministerin Doris Leuthard (52) fies im Hintergrund.
Der Aargauer CVP-Präsident Markus Zemp (60) meint dazu: «Ich hoffe, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher des SGV handelt.» Die Ablehnung des RTVG habe sich für Hans-Ulrich Bigler «zu einer Obsession entwickelt». Es würden alle Grenzen überschritten, sagt der alt Nationalrat, der im Gewerbeverband die Brauerei-Branche vertritt.
Andere Politiker reagierten mit einem offenen Brief auf die Hasskampagne. Mit Ausnahme der SVP haben Mitglieder aller Parteien unterzeichnet, unter ihnen die drei Westschweizer Freisinnigen Jacques Bourgeois (57, FR), Fathi Derder (44, VD), Olivier Français (59, VD) und Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (53).
«Abgehackte Finger und die Verballhornung von Bundesräten und Persönlichkeiten der Wirtschaft sind pervers und ehrverletzend und sprengen den Rahmen jeder seriösen Kampagnen-Arbeit», schreiben sie.
Und was sagt Bigler selbst zu den Vorwürfen? «Es ist zugegebenermassen eine harte Kampagne», räumt er ein. Die SRG sei aber ein äusserst mächtiger Gegner, der alle Register ziehe. «Die Kritik, dass wir uns nur gegen die Billag-Mediensteuer engagieren, weise ich von mir. Das ist unser Referendum. Klar geben wir Vollgas!»
Besonders die Kritik aus CVP-Kreisen kontert Bigler: Beim Bodigen der Erbschaftssteuer trage die CVP die Hauptverantwortung. Diese habe den Präsidenten des Gewerbeverbandes, Nationalrat Jean-François Rime (64, SVP/FR), nicht ein einziges Mal für ein Podium angefragt. «Die CVP-Exponenten machen die Arbeit für ihre Bundesrätin Doris Leuthard, die diese Abstimmung auf keinen Fall verlieren will», sagt er. Und mit Wasserfallen habe er im Übrigen nicht über die Kampagne gesprochen.