Die Haltung der EU ist klar. Nach der Flüchtlingskrise von 2015 hat der Schutz der Aussengrenzen absolute Priorität. Zu diesem Zweck hat die EU beschlossen, die Grenz- und Küstenschutzagentur Frontex massiv aufzustocken: von aktuell 1500 auf 10'000 Mann bis 2027.
Das betrifft auch die Schweiz. Als Schengen-Mitglied muss sie das neue Reglement übernehmen – und sich auch an den Mehrkosten von 12 Milliarden Euro beteiligen. Gemäss Eidgenössischer Zollverwaltung, die das Geschäft vorbereitet, wird sich der Schweizer Beitrag bis 2027 von heute 14 auf 75 Millionen Franken pro Jahr erhöhen.
Mehr Schweizer an der Aussengrenze
Die Schweiz wird Frontex zudem mehr Grenzwächter zur Verfügung stellen müssen als jene 44, die im Jahr 2018 in Griechenland, Italien, Bulgarien, Kroatien und Spanien tätig waren. Geplant ist, Frontex insgesamt 75 Spezialisten zur Verfügung zu stellen. Spätestens im Dezember will der Bundesrat das Anliegen in die Vernehmlassung schicken. Danach muss das Parlament die Mehrkosten noch absegnen.
Und das dürfte schwierig werden. Die SVP lehnt Schengen-Weiterentwicklungen prinzipiell ab, und auch die Grünen tun sich schwer mit dem Ausbau der «Festung Europa». CVP, FDP und GLP kommen nicht auf eine Mehrheit im neuen Nationalrat.
SP fordert legale Fluchtwege
Das bringt die SP in eine Schlüsselposition – ohne die Genossen gibt es kein Ja zum Frontex-Ausbau. Diese planen, ihre Zustimmung teuer zu verkaufen, wie sich nun zeigt. Denn auch die SP steht dem Ausbau des EU-Aussengrenzenschutzes skeptisch gegenüber, wie Nationalrat Fabian Molina (29) sagt.
Molina fordert eine Art Kompensation für den verstärkten Aussengrenzenschutz. «Wenn die Schweiz hilft, die Festung Europa auszubauen und illegale Migration zu verhindern, muss sie auf der anderen Seite legale Fluchtwege schaffen», sagt er zu BLICK.
Welchen Weg der Bundesrat dazu einschlägt, ist dem Zürcher egal: «Möglich wäre eine Wiedereinführung des Botschaftsasyls, mehr humanitäre Visa oder ein Ausbau des Resettlement-Programms.»
Weniger Aufnahmen als geplant
Dass der Bundesrat sich bereit erklärt, das 2013 abgeschaffte Botschaftsasyl wieder einzuführen, ist jedoch kaum anzunehmen. Es ermöglichte Ausländerinnen und Ausländern, auf jeder Schweizer Botschaft egal in welchem Land ein Asylgesuch zu stellen. So konnte man eine gefährliche Flucht in die Schweiz vermeiden.
Bessere Chancen dürfte der Vorschlag haben, mehr humanitäre Visa als heute (bis Ende Juni 189) zu erteilen oder von der Uno anerkannte Flüchtlinge aus Krisengebieten direkt in die Schweiz zu holen. Im Rahmen dieses sogenannten Resettlements sind bis Ende Oktober dieses Jahres 442 Flüchtlinge in die Schweiz gekommen. Der Bundesrat hatte für das Jahr aber 800 Aufnahmen geplant.