Rekordhohe Exportzahlen
Schweizer Kanonen waren auf dem Weg nach Libyen

Im Bürgerkriegsland Libyen sollen Schweizer Waffen aufgetaucht sein. Für Kritiker zeigt das, wie problematisch Kriegsmaterialexporte sind.
Publiziert: 04.03.2020 um 08:42 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2020 um 12:42 Uhr
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Mitte Februar ist im Hafen von Tripolis ein Schiff beschossen worden.
Foto: Getty Images
Daniel Ballmer

Die libyschen Friedensgespräche in Genf waren sofort beendet. Rebellen hatten Mitte Februar 2020 ein Schiff im Hafen der Hauptstadt Tripolis beschossen. Ein Frachter aus der Türkei habe im Bürgerkriegsland Waffen abladen wollen – trotz UN-Embargo. Das berichtet das Internationale Institut für strategische Studien (IISS).

Aus Schweizer Sicht besonders störend: Es gibt Hinweise darauf, dass sich unter den Waffen Kanonen des früheren Schweizer Rüstungsunternehmens Oerlikon-Bührle befunden haben. «Das zeigt einmal mehr, wie problematisch Schweizer Waffenexporte sein können», sagt Lewin Lempert (23) von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). «Auch nach Jahrzehnten können sie noch in Krisenregionen gelangen.»

«Das Seco nimmt den Sachverhalt ernst»

Das für die Bewilligung von Waffenexporten zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wird erst durch die Anfrage von BLICK auf den Fall aufmerksam. Es nehme den Sachverhalt aber ernst, versichert Sprecher Fabian Maienfisch.

Wie die Waffen aus Richtung Türkei in den Hafen von Tripolis gelangt sind, ist nur schwer nachvollziehbar. «Es ist seit einiger Zeit nicht mehr möglich, solche Waffensysteme in die beiden Länder zu liefern», sagt Maienfisch. Bereits seit Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes 1998 würden keine Gesuche für die Ausfuhr von Flugabwehrkanonen des Typs Oerlikon GDF in die Türkei mehr bewilligt.

Und dennoch kann das Seco bislang nicht ausschliessen, dass in Libyen beinahe wieder Schweizer Waffen den Weg in ein Krisengebiet gefunden hätten. Umso brisanter, dass die Waffenexporte derzeit wieder in Richtung Rekordwerte gehen: 2019 haben Schweizer Unternehmen Kriegsmaterial im Wert von 728 Millionen Franken ausgeführt. Höher waren die Exporte nur 2011 mit 872,7 Millionen. Die starke Zunahme ist vorab auf grössere Geschäfte mit Dänemark, Rumänien und Bangladesch zurückzuführen, wie das Seco am Dienstag mitteilte.

Panzer nach Dänemark, Flugabwehr für Bangladesch

So wurden für 150 Millionen Franken gepanzerte Radfahrzeuge nach Dänemark und für 111 Millionen an Rumänien geliefert. Nach Bangladesch sind Flugabwehrsysteme mit Munition für 55 Millionen Franken exportiert worden.

Gleichzeitig sind dem Seco im vergangenen Jahr insgesamt 2450 neue Ausfuhrgesuche vorgelegt worden. Davon wurde der allergrösste Teil bewilligt: 2257 Gesuche im Wert von knapp drei Milliarden Franken bekamen grünes Licht. 12 Gesuche wurden abgelehnt.

Trotz Rekord beklagt sich die Lobby

Die GSoA kritisiert die Rekordzahlen bei den Schweizer Waffenexporten. Während die Rüstungsindustrie und ihre Lobby in Bern sich beschweren, dass unsere Rüstungsindustrie angeblich serbeln würde, zeigten die neusten Seco-Zahlen ein ganz anderes Bild.

Auch 2019 habe es dabei Lieferungen an Staaten gegeben, in denen die Menschenrechte massiv verletzt würden. Die GSoA kritisiert insbesondere die Lieferungen an Bangladesch, an Bahrain, Saudi-Arabien und Pakistan.

Gegenentwurf zur Korrektur-Initiative im März

Armeegegner erinnern an ihre Volksinitiative gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative), die im vergangenen Sommer eingereicht worden ist. Die Initiative will kein absolutes Verbot von Kriegsmaterialexporten. Sie verlangt aber, dass keine Schweizer Waffen in Länder exportiert werden dürfen, die die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, oder in ein Land, das in einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative ab. Er will ihr einen indirekten Gegenvorschlag entgegenstellen. Der Gesetzesentwurf dazu soll Ende März vorliegen.

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