In der Corona-Krise ist die Schweiz bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Die Spitäler waren nie überlastet, die Ausgangsbeschränkungen fielen relativ sanft aus. Aus wirtschaftlicher Sicht hingegen ist die Bilanz desaströs: Allein die bisherigen Kredite und Garantien des Bundes belaufen sich auf 56 Milliarden Franken. Wobei die Kosten in Zukunft weiter ansteigen dürften.
Angesichts dieser düsteren Aussichten mehren sich im bürgerlichen Lager die Stimmen, die sich – für den Fall einer zweiten Welle – gegen einen erneuten Ausnahmezustand aussprechen. «Einen zweiten Lockdown können wir uns nicht leisten», sagt FDP-Ständerat Martin Schmid (50, GR). «Wir dürfen nicht ein weiteres Mal alles zumachen.» Seiner Meinung nach macht es keinen Sinn, etwa den Spitälern sämtliche Operationen zu verbieten.
Kliniken nur für Corona-Patienten
«Falls eine zweite Welle kommt, müssen wir differenzierter vorgehen», fordert Schmid. In Bezug auf die Spitäler könnte das heissen, dass gewisse Kliniken nur Corona-Fälle behandeln, während die anderen den Normalbetrieb aufrechterhielten.
Auch in Bezug auf die Ausgangsbeschränkungen brauche es eine neue Herangehensweise, ergänzt Parteikollege Marcel Dobler (39, SG). Wer gefährdet sei, solle sich weiterhin bestmöglich schützen, so der Nationalrat. «Aber generell müssen wir auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung zählen: Alle wissen jetzt, wie man sich verhalten muss.»
Anders als im März verfüge man nun über genügend Zeit, sich auf das Szenario einer zweiten Welle vorzubereiten, sagt Schmid. «Hier steht der Bundesrat in der Pflicht.»
Dieser Meinung ist auch SVP-Parteipräsident Albert Rösti (52): «Der Bundesrat muss die nötigen Vorbereitungen treffen, um eine zweite Welle in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft nochmals derart herunterzufahren.»
Linke wollen Schutz der Bevölkerung
Ganz anders beurteilt man die Situation im linken Lager. «Die Frage lautet nicht, ob wir uns aus wirtschaftlicher Sicht einen zweiten Lockdown leisten können», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer (52, BE). «Im Mittelpunkt muss der Schutz der Bevölkerung stehen.» Er sei nicht der Meinung, dass man die Wirtschaft mit dem Lockdown gegen die Wand gefahren habe. «Denn das können wir derzeit noch gar nicht beurteilen.»
Wie stark die Wirtschaft durch die Corona-Krise geschädigt wurde, lasse sich erst in einem halben Jahr sagen. Auch wisse man nicht, wie stark eine zweite Welle ausfallen werde – und ob sie überhaupt komme. Aebischers Fazit: «Die Frage, welche Massnahmen wir uns leisten können, können wir erst in Kenntnis dieser Fakten beantworten.»