Wegen der Corona-Krise haben mehrere Kantone Ausschaffungshäftlingen aus Gefängnissen in die Freiheit entlassen – darunter das Tessin, die beiden Basel und Bern.
Zahlreiche der Freigelassenen waren vom Verein Asylex betreut worden, wie «20 Minuten» berichtet. Von mehr als 40 beantragten Freilassungen seien über 30 Klienten mit Erfolg auf freien Fuss gesetzt worden.
Vereinspräsidentin und Anwältin Lea Hungerbühler begründet den Einsatz mit Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser garantiere jedem Menschen das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Nicht alle Ausschaffungshäftlinge seien straffällig geworden
Demnach sei die Ausschaffungshaft illegal, wenn eine Wegweisung nicht in absehbarer Zeit möglich sei: «Aufgrund der geschlossenen Grenzen entfiel die zentrale Rechtsgrundlage für die Inhaftierung von Menschen, die die Schweiz verlassen müssen.»
Die Anwältin betont, dass nicht alle Ausschaffungshäftlinge auch Straftäter gewesen seien. Die Freigekommenen, die gegen das Strafgesetz verstossen hätten, «haben ihre Strafe abgesessen».
Ausschaffungen würden schwieriger nach Freilassung
Laut Marcel Suter, Präsident der Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden, verhielten sich Personen, die aus der Ausschaffungshaft entlassen werden, erfahrungsgemäss jedoch «nicht mehr kooperativ bei den Bemühungen der Migrationsämter, eine Rückführung zu vollziehen».
Auch aus dem Staatssekretariat für Migration SEM heisst es, dass «insbesondere auch Personen mit einer Landesverweisung oder strafrechtlichen Verurteilungen weiterhin in der Haft verbleiben sollen, wenn der Vollzug der Ausweisung innerhalb der maximalen Haftdauer weiterhin absehbar ist».
Eine Linie, die auch der Kanton Zürich verfolgt. Es werde alles daran gesetzt, kriminelle Abgewiesene auszuschaffen, so Sicherheitsdirektor Mario Fehr (61, SP). Eine Freilassung führe praktisch zwingend zu einer Nichtausschaffung, da die Kontrolle kaum mehr möglich sei und fragliche Personen untertauchen.
Bundesgericht rügt Kanton Zürich
Dabei hat das Bundesgericht den Kanton Zürich eben erneut gerügt. Laut einem diese Woche veröffentlichten Urteil muss das Zürcher Migrationsamt einen abgewiesenen Asylbewerber aus dem Maghreb-Raum aus dem Ausschaffungsgefängnis entlassen, weil eine Ausschaffung aufgrund der Corona-Pandemie nicht in absehbarer Zeit durchführbar sei.
Der Mann hatte in der Schweiz zuvor eine Haftstrafe wegen banden- und gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und Hehlerei abgesessen.
Schon im Juni kam ein Somalier dank einer Bundesgerichrts-Verfügung aufgrund der Corona-Krise frei. Der vierfache Vater war wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt worden und 2019 in Ausschaffungshaft gekommen. (kes)