Die Reaktion kam prompt. Und sie war unmissverständlich.
Anfang Juli regte ein Expertenbericht der Armee an, dass die Schweiz die Dienstpflicht auf die Frauen ausweiten sollte. Sofort gingen Gleichstellungspolitikerinnen auf die Barrikaden. Der Zeitpunkt für diese Diskussion sei «völlig verfehlt», meinte etwa Grünen-Frau Maya Graf (54). Solange die Lohngleichheit nicht erreicht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht verbessert sei, gehe es nicht an, die Frauen einzuziehen. Debatte beendet? Im Gegenteil.
Denn es gibt durchaus prominente Frauen-Politikerinnen, die den Befund des Expertenberichts teilen. Zum Beispiel GLP-Politikerin Kathrin Bertschy (37). Sie bläst quasi zum Sturm der Frauen auf die Männerbastion Armee: «Wenn wir schon eine Armee haben, dann bitte schön mit den Frauen.» Pikant: Bertschy teilt sich das Präsidium der Frauenorganisation Alliance F mit der Grünen Maya Graf.
Eine allgemeine Miliz-Pflicht
Natürlich seien andere Gleichstellungsforderungen wichtiger, räumt sie ein. «Aber die Dienstpflicht für Frauen ist jetzt auf dem Tisch. Reden wir darüber!»
Bertschys Vision: Eine allgemeine Miliz-Pflicht. Männer und Frauen sollen ihren Dienst an der Gemeinschaft im Zivildienst, im Zivilschutz, in einer politischen Behörde oder im Militär leisten. «Nur wenn Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben, können wir die traditionellen Rollenbilder überwinden und endlich echte Gleichstellung schaffen.»
Doch die Bernerin kämpft auch aus sicherheitspolitischen Gründen für Frauen an den Waffen. «Cyber-Krieg, Terror, Umweltkatastrophen, Angriffe auf wichtige Infrastrukturen: Diesen Gefahren ist die Armee heute zu wenig gewachsen.» Der Grund dafür sei, dass viele männliche Armee-Kader gedanklich noch im Zweiten Weltkrieg steckten. Solange diese Kräfte am Ruder seien und unter sich blieben, könne man die Armee nicht richtig modernisieren. «Diversität macht jede Organisation stärker. Es liegt auf der Hand: Die Armee braucht die Frauen. Und zwar auf allen Hierarchiestufen.»
Hinzu komme, dass die Armee die besten Talente brauche. Heute finde die Selektion jedoch nur unter 50 Prozent der Jugendlichen statt. Bertschy: «So findet man sicher nicht die Besten.»
Weibliche Konkurrenz
Wegen mehr weiblicher Konkurrenz könnten dienstwillige Männer also künftig öfter ausgemustert werden. Für Bertschy kein Problem. «Vielleicht ist es ja gar nicht schlecht, wenn nicht mehr jeder Mann, der unbedingt will, einrücken kann. Die Armee wird sonst zu einseitig.»
Das Argument, dass Frauen schon heute freiwillig einrücken könnten, lässt die GLP-Politikerin nicht gelten. Heute würden Frauen geduldet, sofern sie sich der von Männern definierten Armee anpassten. «Mein Ziel ist, dass die Frauen mitbestimmen, was die Armee ist und wie sie sich entwickelt.»
Spaltet die Dienst-Frage die Frauenbewegung? Bertschys Co-Präsidentin Maya Graf relativiert: So gross seien die Differenzen gar nicht. Die allgemeine Dienstpflicht sei derzeit einfach kein Thema. Doch untergräbt diese Diskussionsverweigerung nicht die Position der Frauen? «Nein», sagt Graf. «Seit 30 Jahren verspricht uns die Verfassung Lohngleichheit. Bis heute fehlt den Frauen Geld in der Lohntüte und bei der Rente. Das hat Priorität.»
Ohnehin wird es die allgemeine Dienstpflicht schwer haben. Nicht zuletzt wegen der Opposition der Männer. Werner Salzmann (53, SVP) etwa sagt: «Frauen, die einrücken wollen, sind immer willkommen. Aber eine allgemeine Dienstpflicht lehne ich ab.» Frauen und Männer hätten in der Gesellschaft nun mal nicht die gleichen Aufgaben. «Es gibt keine totale Gleichberechtigung.» Für Salzmann steht ein anderes Problem im Vordergrund: «Der Armeebestand muss vergrössert werden. Primär mit Männern.»