BLICK: UBS-CE0 Sergio Ermotti fordert in einem Positionspapier weniger Regulierungen für die Banken und für unsere Wirtschaft. Damit diese nach dem Frankenschock und dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative wettbewerbsfähig bleibe. Wie beurteilen Sie die Ermotti-Streitschrift?
Franz Steinegger: Die Stossrichtung stimmt. In der Schweiz ist vor einiger Zeit ein regelrechter Regulierungswahn ausgebrochen. Dieser schwächt die Wirtschaft – und muss durchbrochen werden. Insbesondere weil nach der starken Aufwertung des Frankens eine Rezession droht.
Dann würden Sie das UBS-Plädoyer unterschreiben?
Nein. Die Forderungen sind schon etwas dürftig. Die UBS kann nicht einfach verlangen, gewisse Regulierungen für Banken zu eliminieren, wie dies Ermotti tut. Schliesslich hat die Bank 2008 den Finanzkollaps mitverursacht. Und damit bewiesen, dass es im Bankensektor sehr wohl staatliche Vorschriften braucht. Ermotti sollte sich deshalb für gescheitere Regulierungen einsetzen – für solche, die zu möglichst wenig Bürokratie führen.
Kann die UBS-Spitze überhaupt noch glaubwürdig Forderungen an die Politik stellen? Dies nachdem der Staat 2008 sie vor dem Untergang hat retten müssen?
Ja. Finanzinstitute sollen auf ihre Bedürfnisse und Probleme aufmerksam machen. Genau wie dies Gewerkschaften und Bauern tun. Was Ermotti vorschlägt, ist ja kein Extremistenkatalog. Sondern vergleichsweise zurückhaltend. Früher waren Forderungen der Wirtschaftselite viel umfangreicher; ja zum Teil richtig abgehoben und übertrieben. Wie etwa Mitte der 90er-Jahre das neoliberale Weissbuch «Mut zum Aufbruch», das Privatisierungen und Deregulierung postulierte.
Seit der Aufhebung des Mindestkurses überschlagen sich die einzelnen Branchen mit Forderungen. Wäre es nicht zielführender, die Wirtschaft würde geeint auftreten?
Doch. Der Einfluss der grossen Wirtschaftsverbände auf die Politik ist heute auch deshalb schwach, weil die Branchen ihre eigenen Süppchen kochen. Statt sich besser zu koordinieren, damit die Wirtschaft in wichtigen Fragen wieder vermehrt mit einheitlichen, breit abgestützten Positionen auftreten kann.
Bei der Masseneinwanderungs-Initiative ist die Wirtschaft ebenfalls nicht einer Meinung. Ermotti kritisiert nun den Bundesrat, weil die Umsetzung «weiterhin unklar» sei, was zu «dauerhaften Schäden» führe.
Ich wünsche mir von Ermotti und der Wirtschaft im Allgemeinen, dass sie bei der Zuwanderungs-Initiative die Verantwortlichen benennen: die SVP! Statt dem Bundesrat vorzuwerfen, den unlösbaren Konflikt zwischen Kontingenten und Personenfreizügigkeit nicht zu lösen. Die Wirtschaft muss die Brandstifterin SVP in die Pflicht nehmen, damit ihre Initiative nicht zu einem allzu grossen Schaden führt. Wenn dies nicht gelingen sollte, ist die SVP schuld – und nicht der Bundesrat.