Heute ist es so weit: Im prächtigen Élysée-Palast im Herzen von Paris tritt der frisch gewählte Emmanuel Macron (39) das Amt des französischen Präsidenten an. Mit seinem pointiert proeuropäischen Wahlkampf hat Macron den reaktionären Geist des Front National unter Marine Le Pen (48) fürs Erste gebannt. Und euphorisiert auf dem Kontinent die jüngst arg gebeutelten Streiter für ein vereintes Europa. Selbst in der chronisch EU-kritischen Schweiz regen sich wieder erste zarte europäische Frühlingsgefühle.
«Mitgestalten und nicht nur zuschauen»
«Die EU ist und bleibt das beste Projekt für ein friedliches Europa», betont SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Eric Nussbaumer (56). Dabei war es seine Partei, die noch vor den letzten eidgenössischen Wahlen ihre proeuropäische Haltung nicht allzu stark betonen mochte. Selbst den Genossen schien dies anderthalb Jahre nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative zu toxisch. «Die Diskussion zum richtigen Verhältnis Schweiz-EU ist nie abgebrochen, sie begleitet uns permanent», widerspricht der Baselbieter. Die SP habe sich als einzige Bundesratspartei berei für ein institutionelles Rahmenabkommen ausgesprochen. «Dabei darf aber die Mitgliedschaftsoption nicht verbaut werden», sagt er. «Meine Partei will Europa mitgestalten und nicht nur Zuschauerin sein.»
Auch der ehemalige Präsident der SP-Graubünden, Kantonsrat Jon Pult (32), ist überzeugt, dass mit der Wahl Macrons Europa wieder «ein Gewinner-Thema» sei.
«Nach den Wahlen in Deutschland im Herbst werde ich mich in der Partei dafür einsetzen, dass wir die Europa-Debatte wieder aktiv führen», erklärt die SP-Nachwuchshoffnung selbstbewusst.
«Alle zukünftigen Chancen offenhalten»
Die Europa-Euphorie beschränkt sich nicht nur auf die Linke. Eine Europapolitik, die über das Abwehren von Initiativen der SVP hinausgeht, wünschen sich auch manche Bürgerliche. «Ich plädiere für den Gang des zurzeit Machbaren», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (41, BE). Zugleich müsse sich die Schweiz «alle zukünftigen Chancen offenhalten». Das bedeute eine Absage an die Pläne von rechts, die Personenfreizügigkeit zu künden und «ein Update» der bilateralen Verträge. «Wir müssen uns aber auch überlegen, wie die Schweiz mit der EU enger zusammenarbeiten kann, um unseren Wohlstand auf Dauer zu sichern», so die Freisinnige.
Ausserhalb der Parteienlandschaft greift die Operation Libero die Europa-Thematik auf. Macron bedeute für die Schweiz, «dass die Europadebatte endlich aus ihrem zehnjährigen Winterschlaf aufgeweckt werden muss», sagt Co-Präsidentin Laura Zimmermann (25). Es sei gut möglich, dass ein institutionelles Rahmenabkommen nötig werde. «Sollte aber zu einem späteren Zeitpunkt ein Beitritt die bessere Lösung darstellen», so Zimmermann, «darf man sich auch dieser Debatte nicht verschliessen.»
Parlamentswahlen könnten der Euphorie ein Ende machen
Gross sind die Hoffnungen des proeuropäischen Lagers nach Macrons Triumph in Frankreich. Nur: Dessen Zauber droht bereits mit den nun anstehenden Parlamentswahlen zu verfliegen. Dann käme auch in der Schweiz die europäische Euphorie rasch wieder zum Erliegen.