In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» war zu lesen: «Die Insulinpumpe und der Filter für das Dialysegerät müssen nun von deutschen Regierungspräsidien neu zertifiziert werden, damit sie importiert werden können.» Der Satz entstammt einem Beitrag mit dem Untertitel: «Baden-Württemberg sorgt sich um die Beziehungen zur Schweiz.» Erschienen ist er am 2. Februar 2022. Ja, am Mittwoch!
Die Schweiz heute.
Der Verzicht auf das Rahmenabkommen macht unmöglich, was das Rahmenabkommen ermöglicht hätte: harmonische Wirtschaftsbeziehungen zu Nachbarn wie Baden-Württemberg. Weil die EU ihre Medizinprodukteverordnung novelliert hat, der Automatismus des Rahmenabkommens aber fehlt, muss das Konformitätsabkommen zwischen der EU und der Schweiz angepasst werden. Neue Handelshemmnisse behindern den freien Warenaustausch.
Inzwischen jagen sich die Meldungen über Folgen der teuren Wirtschaftsgroteske an der Schweizer Nordgrenze. Erst leuchtet ein Hoffnungsschimmer: «Deutschland will Schweizer Medtech-Produkte weiterhin anerkennen.» Wenig später folgt der Dämpfer: «Brüssel besteht auf der Nichtzulassung von Schweizer Medizinaltechnik in Deutschland.» Forsch fordert darauf Economiesuisse: «Schweiz soll die EU verklagen.» Schliesslich seufzt die «NZZ» in Erwartung eines Finales für das absurde Stück: «Die Schweiz wartet auf ein Urteil des EU-Gerichts.»
Man muss es zweimal lesen: Die Schweiz erwartet Gerechtigkeit von derselben europäischen Justiz, die sie beim Rahmenabkommen partout nicht anerkennen wollte!
Und sollte Deutschland tatsächlich auf die Neuzulassung helvetischer Medtech-Produkte verzichten: Würde Berns Diplomatie dann Verhandlungen mit Italien eröffnen? Und mit Frankreich? Und mit Österreich? Und mit den übrigen 23 EU-Nationen? Vielleicht gar mit Gliedstaaten wie Baden-Württemberg? Piemont beispielsweise? Oder Savoyen? Eine provinzielle Posse in Zeiten globaler Gepflogenheiten.
Die Schweiz in Europa.
Soll noch von der Wissenschaft die Rede sein? Schweizer Akademiker sind aus EU-Forschungsprojekten ausgeschlossen. Die Schweiz gilt nurmehr als «nicht assoziierter Drittstaat». Konsequenz des Verzichts auf das Rahmenabkommen.
Die Schweiz in ihrer selbst auferlegten Gefangenschaft.
War all dies nötig? Umfragen signalisierten ein Volksmehr für das Rahmenabkommen. Der Regierung war es zu unsicher. Und kämpfen mochte sie nicht. Also verzichtete sie auf das, was sie mit der Europäischen Union ausgehandelt hatte: Beziehungen, die der politischen Wirklichkeit angepasst wären.
Alle halfen mit, den Stecker zu ziehen: Rechte, Mitte, Linke, Gewerkschaft, Wirtschaft. Nun tappt die Schweiz im Dunkeln. Kein Ausweg nirgendwo. Der Ruf nach Dialog mit Brüssel ist in seiner Einfalt kaum zu übertreffen: Wer grundlos das Ergebnis jahrelanger Gespräche schreddert, sollte, um es dezent zu formulieren, vielleicht mal auf die Zunge beissen, statt loszuplappern.
Grundlos? Ja: grundlos. In den Augen der EU wäre ein Scheitern des Rahmenabkommens vor dem Volk – nach Debatten in National- und Ständerat – der einzig akzeptable Grund gewesen.
Das Vorausnehmen einer eventuellen Ablehnung des Rahmenabkommens durch die Bürger war nichts anderes als Verachtung ebendieser Bürger – eine Anmassung des Bundesrates, eine Anmassung der Classe politique. Der Republik unwürdig.
Schnee von gestern? Er liegt noch, der Schnee. Wirtschaft und Wissenschaft stapfen mühselig und orientierungslos durch diesen Winter, der gerade erst begonnen hat.
Der Ausweg? Der Rückweg.