Flüchtlings-Geburten auf Rekordhoch
Jetzt will die SVP bei den Schwächsten sparen

Die Zahl der Familienzusammenführungen im Asylbereich ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Über 2000 Kinder wurden letztes Jahr hier geboren und erhielten deshalb den Status ihrer Eltern als anerkannte Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommene.
Publiziert: 31.05.2019 um 15:06 Uhr
|
Aktualisiert: 03.06.2019 um 11:13 Uhr
1/8
SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler: «Mit jedem Kind steigen die Sozialhilfekosten an, dazu kommen aber auch noch Gesundheits- oder später Ausbildungskosten.»
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Die Zahl der Asylgesuche ist im Sinkflug, doch die Zahl der Familienzusammenführungen stieg letztes Jahr auf ein Rekordhoch: 4885 Ehepartner und Kinder profitierten davon (BLICK berichtete).

Was viele nicht wissen: Dabei handelt es sich nicht nur um Personen, die in die Schweiz ziehen dürfen. Einen grossen Teil der Familienzusammenführungen machen Geburten aus. Die Kinder erhalten dabei automatisch den Elternstatus zugeteilt. Das heisst: Letztes Jahr wurden 2008 Kinder als Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in der Schweiz geboren. 

Erstmals in den vergangenen zehn Jahren wurde damit die 2000er-Hürde überschritten. Der Löwenanteil machen dabei fast 1200 Eritreer-Babys aus.

SVP-Geissbühler fürchtet Sozialhilfekosten

Eine Entwicklung, die SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (42, BE) Sorgen bereitet. Sie hatte schon vor zwei Jahren beim Bundesrat nach der Geburtenrate bei eritreischen Flüchtlingen gefragt. «Die Zahlen haben mich erschreckt», sagt Geissbühler. «Sie müssen uns zu denken geben, wenn man sich bewusst wird, was alles daran hängt.» Geissbühler verweist auf den hohen Sozialhilfeanteil bei eritreischen Flüchtlingen. «Mit jedem Kind steigen die Sozialhilfekosten an, dazu kommen aber auch noch Gesundheits- oder später Ausbildungskosten.»

Deshalb macht die SVP auch mit Vorstössen Druck. So verlangt die Blocher-Partei, dass etwa vorläufig Aufgenommene nur noch mit einer «Krankenversicherung light» und damit mit einem stark eingeschränkten Leistungskatalog versichert werden. «Auch bei der Sozialhilfe müssen wir einen strengeren Massstab anwenden», sagt Geissbühler.

SP-Meyer setzt auf Integration

Den falschen Ansatz findet das SP-Nationalrätin Mattea Meyer (31, ZH). Sie hat ganz andere Bedenken. «Es macht mir Sorgen, dass viele dieser Kinder in Armut aufwachsen müssen», sagt Meyer. «Deshalb finde ich es wichtig, dass die soziale und berufliche Integration von Flüchtlingen Priorität hat. Doch genau die SVP wehrt sich dagegen.»

Bei vorläufig Aufgenommenen kommt noch der Umstand hinzu, dass das Damoklesschwert der Rückschaffung über ihnen hängt. «Diese permanente Unsicherheit belastet die ganze Familie, das spüren natürlich auch die Kinder», so Meyer. Vorläufig Aufgenommene würden oft lange Zeit oder das ganze Leben hier bleiben. «Für die Integration und die Zukunft der Kinder ist es wichtig, dass der Aufenthaltsstatus gesichert ist. Hier braucht es Verbesserung.»

Doch gerade in diesem Punkt fordert die SVP ebenfalls eine Verschärfung. Sie will ein dreijähriges Familiennachzug-Moratorium bei vorläufig Aufgenommenen. Ein solches hätte letztes Jahr rund 300 Personen betroffen.

Der Nationalrat entscheidet in der Sommersession über den Vorstoss. Meyer lehnt diesen ab. «Es erleichtert nachweislich die berufliche Integration, wenn die Familie in der Nähe ist», sagt die SP-Frau. Wer in ständiger Sorge sei, wie es der Familie gehe, dem falle die Integration schwerer. «Familie gibt Sicherheit und Stabilität. Das sind wichtige Voraussetzungen für grössere Integrationschancen.»

Geissbühler trifft zwei Bundesräte

Für Geissbühler hingegen ist das Moratorium «zwar nur ein kleiner Schritt, aber ein Schritt in die richtige Richtung». Doch das reicht ihr nicht. In der Sommersession will Geissbühler daher gleich zwei Bundesräte – SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (59) und FDP-Asylministerin Karin Keller-Sutter (55) – treffen, um mit ihnen die Eritrea-Problematik zu besprechen. 

Mit Parmelin will sie sich anschauen, inwiefern die Schweiz in Eritrea in wirtschaftliche Projekte investieren kann, um so Eritreer zur Rückkehr zu bewegen. «Ich kenne geeignete Personen, die als Projektleiter oder Koordinatoren in der Schweiz und vor Ort mit dem Ziel eingesetzt werden könnten, dass die meist jungen Eritreer einen Lehrvertrag unterschreiben, welcher eine anschliessende Rückkehr nach Eritrea beinhaltet.» Parallel dazu müsse ein Aufbau verschiedener Landwirtschafts- und Handwerksbetriebe in Eritrea erfolgen, in welchen die hier Ausgebildeten nach Ablauf des Vertrags oder bei sofortiger Rückkehr Arbeit finden würden. 

Mit Keller-Sutter hingegen will sie die Frage eines Rücknahmeabkommens erörtern. «Karin Keller-Sutter muss möglichst bald nach Eritrea reisen und den dortigen Präsidenten Isayas Afewerki treffen, damit es in diesem Bereich endlich vorwärtsgeht.»

Höhere Hürden für vorläufig Aufgenommenen

Beim Familiennachzug gelten für vorläufig Aufgenommene deutlich höhere Hürden. Für sie gilt eine dreijährige Wartefrist, bevor sie ein Gesuch für ihren Ehepartner oder Kinder stellen können. Zudem müssen sie für ihre Familienmitglieder selber aufkommen können.  

Das führt zu einem höheren Geburtenanteil bei den Familienzusammenführungen. Bei vorläufig Aufgenommenen machten die Geburten letztes Jahr rund 62 Prozent aus, bei den anerkannten Flüchtlingen sind es nur 38 Prozent. Letztere können ihre Familienmitglieder nämlich sofort in die Schweiz holen. (rus)

Beim Familiennachzug gelten für vorläufig Aufgenommene deutlich höhere Hürden. Für sie gilt eine dreijährige Wartefrist, bevor sie ein Gesuch für ihren Ehepartner oder Kinder stellen können. Zudem müssen sie für ihre Familienmitglieder selber aufkommen können.  

Das führt zu einem höheren Geburtenanteil bei den Familienzusammenführungen. Bei vorläufig Aufgenommenen machten die Geburten letztes Jahr rund 62 Prozent aus, bei den anerkannten Flüchtlingen sind es nur 38 Prozent. Letztere können ihre Familienmitglieder nämlich sofort in die Schweiz holen. (rus)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?