Das Rettungsschiff «Aquarius» liegt seit letztem Donnerstag im südfranzösischen Marseille und sucht einen neuen Flaggenstaat. «Wir rufen die europäischen Regierungen auf, es uns zu ermöglichen, unsere lebensrettende Arbeit fortzusetzen, indem sie der «Aquarius» eine Flagge geben», teilte die Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit.
Die «Aquarius» ist eines der letzten privaten Schiffe, das Flüchtlinge aus dem Mittelmeer aus Seenot rettet. Der bisherige Flaggenstaat Panama hatte angekündigt, das Schiff aus seinem Schifffahrtsregister zu streichen und ihm somit die Flagge zu entziehen. Wenn das geschieht, wäre das Schiff, das seit der Registrierung in Panama offiziell «Aquarius 2» heisst, bis auf Weiteres stillgelegt.
Eine NGO-Allianz will das nun verhindern. Sie hat am Dienstag eine Petition mit über 27'000 Unterschriften der Bundeskanzlei übergeben. Darin fordern die Unterzeichnenden, dass das Rettungsschiff von SOS-Méditerranée und Médecins Sans Frontières in Zukunft unter Schweizer Flagge fährt.
Appell an den Bundesrat
Die humanitäre Tradition der Schweiz stehe auf dem Spiel, sagte der Lausanner Nicolas Morel, der die Petition lanciert hatte. Für die Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra (45) sind 27'000 Unterschriften in zwei Wochen ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft hierzulande.
In der Pflicht sehen die Petitionäre den Bundesrat und das Parlament. Die Regierung habe die Kompetenz, die «Aquarius» unter Schweizer Flagge fahren zu lassen und damit viele Menschen vor dem sicheren Tod zu bewahren. Nun müsse der Bundesrat politischen Mut beweisen, sagte Morel.
Aktiv geworden sind in der Zwischenzeit auch vier Mitglieder des Nationalrates. Kurt Fluri (63, FDP), Aline Trede (35, Grüne), Guillaume Barazzone (36, CVP) und Ada Marra haben politische Vorstösse zum Thema eingereicht. In den Interpellationen wollen sie vom Bundesrat wissen, unter welchen Umständen das Rettungsschiff unter Schweizer Flagge weiterfahren könnte.
Fahrt übers Mittelmeer wird immer gefährlicher
Um die Rettung von Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer ist in der EU ein Streit entbrannt. Die italienische Regierung lässt keine privaten Rettungsschiffe mit Migranten mehr in die Häfen des Landes. Mehrere NGO-Boote wurden in den vergangenen Monaten tagelang auf dem Meer blockiert, nur noch ein Schiff von Proactiva ist derzeit vor Libyen unterwegs.
Mittlerweile kommen wesentlich weniger Migranten in Italien an. Doch in Relation zu den Abfahrten wird die Überfahrt immer gefährlicher. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 1700 Menschen im Mittelmeer auf der Flucht Richtung Europa ums Leben, 1260 alleine auf der zentralen Route zwischen Libyen und Italien. Die Dunkelziffer liegt nach Angaben von NGOs aber weit höher. Es sei niemand mehr vor Ort, um zu sehen, wie viele Menschen wirklich untergingen, heisst es dazu. (SDA)